Eine langlebige russische Seifenblase

Der Wahlblock „Einheit“, eine Schöpfung der Jelzin-Regierung, konnte sich in nur drei Monaten zur zweiten Duma-Kraft mausern

Als Wähler“ freue er sich sehr über das gute Abschneiden des Wahlblockes „Einheit“, gestand Russlands Premier Wladimir Putin. Dabei besteht kein Zweifel: Wladimir Putin hat den Sieg der „Einheit“ kräftig befördert. Der Block orientiert sich ganz und gar nach ihm. Am 24. September dieses Jahres, knapp drei Monate vor den Wahlen, wurde die „Einheit“ als Initiative der Administration des Präsidenten gegründet. Unabhängige politische Beobachter meinten damals, das ganze sehe eher nach einer Seifenblase aus. Aber Seifenblasen gewinnen großen Umfang, ehe sie platzen.

Die Troika an der Spitze des Blockes konnte nicht geschickter gewählt sein. Alle drei gelten in Russland als Männer der Tat, sind politisch unbescholten und dazu relativ jung – ein Faktor, der bei diesen Wahlen in Russland erstmals eine große Rolle spielt. Die Nummer eins des Wahlblocks, Sergej Schoigu (45), jahrelang erfolgreicher Kopf der effektivsten russischen Behörde, des Ministeriums „für Extremsituationen“, hatte seine Fähigkeit, Menschen unter Trümmer hervorzuziehen, erst kürzlich bei den Terror-Bombenanschlägen in Russland demonstriert. Warum sollte er nicht auch Russland unter Trümmern hervorziehen? Nummer zwei ist der Fünfkämpfer Alexander Karlin (32), dritter im Bunde der Milizengeneral Alexander Gurow (54), bekannt als unerschrockener Kämpfer gegen die Mafia. Vielversprechend wirkte die Triade für den Kreml – als Feuerwehr, die seine Interessen bei den Präsidentenwahlen retten könnte.

Von vornherein traten dem Block „Einheit“ diverse, durch ihren extrem autoritären Regierungsstil bekannte Gouverneure bei, wie zum Beispiel Alexander Ruzkoi (Kursker Bezirk) und Jewgeni Nasdratenko (Pazifikufer). Diese Männer verkörpern, was man in Russland die „administrative Ressource“ nennt. Ohne – vor allem provinzielle – Beamte im Rücken, gelingt hier keiner Partei der Sieg. Die Beamten handeln mit Erlaubnissen und Lizenzen, verteilen die Ströme des staatlichen Pensionsfonds an die Rentner und die Gehälter an Lehrer und Staatsangestellte. Den Sieg der „richtigen“ Partei garantieren die Gouverneure, indem sie die wichtigsten landwirtschaftlichen und industriellen Betriebe in ihrer Region während des Wahlkampfes abfahren.

Ihre Arbeit wird von den untergeordneten Chargen der Volkswirtschaft fortgeführt. Den letzten Schliff geben dem Ganzen die Mitglieder der lokalen Wahlkomitees. Sie sammeln die Stimmen der Alten und Kranken in deren Häusern ein – das sind in manchen Dörfern um die 80 Prozent der Wähler. Und wenn da jemand meint, eine listige Babuschka könnte ja zum Gerede des Wahlhelfers einfach „Ja, ja“ sagen und dann trotzdem ankreuzen, wen sie möchte, der vergisst zwei Dinge: Der „große Bruder“, der alle sieht und hört, ist im Bewusstsein der älteren russischen Wähler noch allgegenwärtig. Und viele Provinzler interessieren sich so wenig für Politik, dass sie sich die Namen der aktuellen Kandidaten nicht einmal merken können. Sergej Kirijenko von der „Union rechter Kräfte“ schloss in der Wahlnacht: „Ein Teil der Wähler in unserem Land sind Bürger und ein Teil sind Untertanen. Wie viele es jeweils sind – das kann man aus diesem Wahlergebnis ablesen.“

Barbara Kerneck