Proteste und Boykott lohnen sich eben doch

Verbraucher und Umweltverbände haben nun auch den Gen-Food-Giganten Monsanto in die Knie gezwungen ■ Von Matthias Urbach

Robert Shapiros Traum ist geplatzt. So gern wollte der Vorstandschef von Monsanto der Bill Gates des 21. Jahrhunderts werden und mit seinem Unternehmen das „Betriebssystem“ der Gentechnik liefern, so wie Microsoft das Betriebssystem für den PC entwickelte. Aggressiv wie kein anderer Gentech-Konzernchef hatte Shapiro für die derzeit umstrittenste Anwendung der Gentechnik geworben : die auf dem Acker.

Er hatte seinen Kopf hingehalten für die gentechnisch veränderten Sojabohnen und Rapspflanzen, die eine neue Revolution für die Landwirtschaft bringen sollten.

Doch die schönen neuen Pflanzen sind in Verruf gekommen. Monsanto geriet in Liquiditätsprobleme. Seit dem Sommer schon spekulieren die Analysten über die Zukunft des angeschlagenen Konzerns, gestern nun wurde die Fusion mit Pharmacia & Upjohn verkündet. Die Agrarsparte soll ausgegliedert und zu einem Fünftel an die Börse gebracht werden. Und Shapiro darf den Konzern nicht mehr lenken, er wurde in den Aufsichtsrat abgeschoben. Neuer Chef wird der Pharmacia-&-Upjohn-Vorstandsboss Fred Hassan.

Damit scheint eine Strategie begraben zu werden, mit der sich weltweit die Chemie- und Pharmakonzerne seit Mitte der Neunziger neu strukturierten: Man glaubte die Biotechnik als den zentralen Motor der Wirtschaft des kommenden Jahrhunderts erkannt zu haben. Life-Science hieß das neue Schlagwort. Massenhaft kauften die Unternehmen kleinere Saatgut-, Pharma- oder Gentechnikfirmen auf. Gleichzeitig trennten sich Firmen wie Hoechst und Sandoz von ihren Grundchemiesparten und suchten mächtige Fusionspartner, um sich am Weltmarkt neu zu positionieren und die teuren Entwicklungskosten der jungen Gentechnik zu schultern. Schrittmacher der Bewegung war der Schweizer Konzern Novartis, entstanden durch die Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz.

Doch während die Gentechnik in der Medizin allgemein akzeptiert wird, muss sie in der Landwirtschaft gegen Proteste ankämpfen – angeführt von den großen Umweltverbänden.

Eigentlich hatte sich der große Streit um die Gentechnik selbst in besonders kritischen Ländern wie Deutschland halbwegs gelegt. Doch sie entbrannte erneut, als in Großbritannien ein umstrittener Forschungsbericht bekannt wurde, wonach Laborratten durch den Verzehr genmanipulierter Kartoffeln unter Wachstumstörungen litten. Prominente wie Paul McCartney und der sonst zurückhaltende Prinz Charles setzten sich gegen die neue Nahrung ein. Mit einer 1,5 Millionen Dollar teuren Kampagne suchte Monsanto die Stimmung in Großbritannien zu wenden – ohne Erfolg.

Umweltschützer wie Greenpeace demonstrierten so lange vor den Supermärkten, bis schließlich im vergangenen Frühjahr einer nach dem anderen genmanipulierten Produkten in seinen Eigenmarken abschwor. Die Welle schwappte auf den Kontinent zurück. Auch in Deutschland rückten Ketten wie Tengelmann, Edeka und Aldi von Genprodukten ab.

Die EU-Umweltminister beschlossen im Juni, solange nichts zuzulassen, bis sie Ende 2001 neue, verschärfte Auflagen erarbeitet haben. Die Vorbehalte in der Bevölkerung sind enorm. Gentechnik in der Landwirtschaft ist zu einem ähnlich imageschädigenden Geschäftsfeld geworden wie einst die störanfällige Grundstoffchemie. Das erkannten auch die Analysten: Die Aktienkurse der Life-Science-Konzerne sanken in den Keller. Die Deutsche Bank Securities warnte Investoren im Juli vor dem „wachsenden Negativimage“ der Gentechnik . Wieder reagierte Novartis als erster: Bereits im Spätsommer ließ der Novartis-Chef durchblicken, das die Life-Science-Strategie nicht in Stein gemeißelt sei, Anfang des Monats gab er die Auslagerung seiner Agrarsparte bekannt.

In den technikbegeisterten USA glaubte Monsanto lange, auf die europäischen Bedenken keine Rücksichten nehmen zu müssen. Der Erfolg schien dem Konzern zunächst Recht zu geben: Jede zweite geerntete Sojabohne war dort dieses Jahr genverändert. Doch die Abnahmepreise fielen, weil weder Japan noch die EU die Bohnen kaufen wollten. So hatte Monsanto am Ende tatsächlich nur eines gemeinsam mit Microsoft: nämlich eine Anklage wegen Kartellrechtverletzung und Irreführung der Kunden. Diese Sammelklage reichten vergangene Woche Umweltschützer und Kleinbauern ein, die sich von Monsanto hinters Licht geführt fühlten. Die gesundheitlichen Risiken seien nicht genügend untersucht worden.

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