Platz frei für Kultur im Kühlturm

■ Das neue Tempodrom am Anhalter Bahnhof darf gebaut werden. Bis zuletzt hatten sich die Grünen gegen die Pläne gewehrt. Nun wurden sie von CDU, SPD und PDS überstimmt

Nun ist es entschieden: Tempodrom-Chefin Irene Moessinger darf den umstrittenen „Kühlturm“ am Anhalter Bahnhof bauen. Der Planungsausschuss des Bezirks Kreuzberg gab am Montagabend grünes Licht für die Realisierung des neuen Temprodroms. Das Gremium stimmte mehrheitlich zwei wesentlichen Änderungen des Bebauungsplans zu. „Das ist wunderbar“, freute sich Moessinger über die Entscheidung im Rathaus Kreuzberg.

Noch vor zwei Wochen hatte derselbe Ausschuss Moessinger zu wütenden Reaktionen veranlasst. Damals blockierte das Gremium mit den Stimmen von CDU, PDS und Bündnis 90/Grünen das Projekt und verweigerte dem Entwurf seine Zustimmung.

Umstritten waren vor der Sondersitzung zwei Beschlüsse, die einem Neubau des Tempodroms im Wege standen: Der bestehende Bebauungsplan für das Areal erlaubt nur eine Gebäudehöhe von 28 Meter. Außerdem müssen grüne Ausgleichsflächen bei einer raumgreifenden Bebauung geschaffen werden. Das von den Hamburger Architekten Gerkan, Marg und Partner (gmp) entworfene Gebäude mit einem kühlturmartigen Dach erreicht aber eine Höhe von 38 Metern. Zugleich sehen die Pläne eine großflächige Versiegelung des Bodens vor, ohne dass ein Ausgleich von 1.250 Quadratmetern geschaffen würde.

Ihr Plazet für den Neubau gaben CDU, SPD und PDS am Montag deshalb, weil auf dem weiten terrassenförmigen Sockelgeschoss „begrünte Gärten in einer Größenordnung von 900 Quadratmetern“ entstehen sollen, wie gmp-Planer Stefan Schütz sagte. „Optimiert“ worden sei der Entwurf auch dahingehend, dass weitere 500 Quadratmeter Naturfläche durch den Verzicht auf einen Erschließungsweg hinzukommen.

Eine Reduzierung des Daches forderten die Ausschuss-Mitglieder nicht mehr. Höhe und Masse würden bei einer Verkleinerung kein stimmiges Verhältnis des Bauwerks mehr ergeben. „Der Entwurf ist unserer Meinung nach zustimmungsfähig“, sagte Michael Schill (CDU) nach der Präsentation der Überarbeitung. Auch Michaela Lindner (PDS) hatte „mit der jetzigen Planung keine Schwierigkeiten“.

Abgelehnt wurden die überarbeiteten Tempodrom-Pläne erneut von den Grünen. Nach Ansicht von Ausschussmitglied Leo Hölscher sei der Entwurf „an dieser Stelle zu dominant“. Außerdem sei bei der über 3.500 Personen fassenden Arena bei Veranstaltungen eine „große Verkehrsbelästigung für die Anwohner zu befürchten“. Hölscher forderte das Bezirksamt auf, bei der Realisierung des Tempodroms auch auf ein Verkehrskonzept Wert zu legen.

Insbesondere wehrten sich die Grünen gegen den gleichzeitig geplanten Bau eines Sportplatzes zu Füßen des Tempodroms. Kulturzelt und Sportfläche passten nicht zusammen und beschädigten das Stadtbild, sagte die Abgeordnete Mechthild Brockschnieder. „Der Sportplatz an dieser Stelle ist Realsatire.“ Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) hatte in der Vergangenheit mehrfach dafür plädiert, den Sportplatz auf das Gelände des Gleisdreiecks zu verlegen.

Kritik musste sich Moessinger am Montag dennoch gefallen lassen, denn das neue Tempodrom wird immer teurer. Von den ursprünglich anvisierten 32 Millionen Mark ist der Bau nun auf 42,5 Millionen Mark geklettert. Finanziert sind die Kosten weitgehend, in Höhe von rund 30 Millionen Mark, durch Fördergelder der Europäischen Union, mit Lottomitteln, von Sponsoren und aus der Entschädigungszahlung für den Wegzug aus dem Tiergarten. Die fehlende Investition von 12 Millionen Mark will Moessinger nun per Kredit samt einer Landesbürgschaft zusammenbekommen.

Rolf Lautenschläger