Hilfe für Gefrierfachfüße

Eine kleine Warenkundedes Wärmflaschenwesens

Es rächt sich, dass der Mensch gegen seine strukturellen Defizite – Schlaflosigkeit wegen tiefgefrorener Füße, Hexenschuss nach Treppenfeudeln, Darmknoten durch Milchspeiseeis – mit sog. Hausmitteln vorgeht, ohne auch nur eine Sekunde über deren wahres Wesen nachzudenken.

Wissenschaftler wie Kurt Kräuchi von der Baseler Universitätsklinik für Psychiatrie fördern diese fahrlässige Haltung durch ihre Studien. Er stellte kürzlich fest, dass es für schlaflose junge Männer am besten sei, mit einer Wärmflasche ins Bett zu gehen. Die Frage aber, was eine Wärmflasche sei, woher sie komme und was sie von anderen betttauglichen Heizinstrumenten unterscheide, ließ er unbeantwortet. Wir haben uns dieser Forschungslücke angenommen und stellen fest: Die Wärmflasche ist als vielleicht einziger Bettwärmer das, wofür sie landläufig gehalten wird.

ZwitterwesenRoggensack

Beginnen wir unsere kritische Analyse mit dem Roggensack. Ein irreführender Name, denn dieser Sack ist gar nicht nur mit Roggen gefüllt, sondern mit einem handverlesenen Allerlei gesunder Körner. Gesundheit stellt ohnehin die einzige Existenzberechtigung des Roggensacks dar, der im Übrigen eher aussieht wie ein Schal. Dafür hat er prominente Ahnen: Roggensack ist – vereinfacht – Enkel von Oma Gummiwärmflasche. Mit ihr hat er gemeinsam, dass er zwar wenig schmackhaft, ja völlig ungenießbar ist, dafür aber das Bett vorheizen kann. Eigenartigerweise hat er auch was von einer Tiefkühl-Lasagne, weil die Bedienungsanleitung empfiehlt, ihn vor Gebrauch entweder „vier Minuten in die Mikrowelle“ zu legen oder ihn „20 Minuten bei 200 Grad Celsius in Alu-Folie“ im Backofen zu schmoren. Roggensack irrt somit im Niemandsland zwischen Bettgefährte und Naturkost herum: ein tragischer Zwitter des menschlichen Alltags. Nicht der einzige.

MogelpackungHeizkissen

Fall Nummer zwei: das Heizkissen, das an eine elektrisch betriebene Tischdecke erinnert. Es gibt weiß Gott nichts Unbequemeres als diese stoffummantelten Glühdrähte. Bei gezogenem Netzstecker angestellte Nachforschungen mit einer Schere ergaben zweifelsfrei, dass in dem Untersuchungsobjekt keine einzige kissenübliche Feder enthalten war. Spätestens jetzt müssen sich die Heizkissenhersteller den Vorwurf der absichtlichen Irreführung der Öffentlichkeit gefallen lassen. Opfer der Heizkissenmafia: arme Schlucker, die ihre Harnwegsinfekte und Gefrierfachfüße nicht in den Griff bekommen.

Wie man’s auch dreht und wendet: Das Produkt will einfach nicht an ein Kissen erinnern. Zusätzlich gibt es noch eine etwas unerwartete alternative Auffassung, wofür die stoffumwickelten Drahtgeflechte bestimmt seien: Manch ein Haustier würde sich offenbar statt fadem Dosenfutter lieber ein schmackhaftes Heizkissen kaufen. Zum Beispiel eine im US-Bundesstaat Oregon ansässige Boa Constrictor, die sich vor rund zwei Jahren über ein Heizkissen hermachte. Die hatte ihr sehr gemundet, befand damals der von den Besitzern hinzugezogene Tierarzt: „Das Heizkissen erfüllte offenbar alle Kriterien einer guten Mahlzeit“, meinte der, „es war warm, flauschig und hatte auch ein paar harte Bestandteile, die sich wie Knochen anfühlten.“ Auf einer Röntgenaufnahme hatte er zuvor das Kissen samt Kabel und Schalter zweifelsfrei identifiziert.

UrahneZiegelstein

Der Blick ins Neandertal der Gummiwärmflasche beweist, dass der Mensch „seine“ Hausmittelchen seit jeher auf unverantwortliche Art und Weise benutzte. Auch wenn es heute der Oma, dem um seine Identität kämpfenden Roggensack und dem federlosen Heizkissen so unangenehm sein dürfte wie Kusine Rotlichtlampe: Ihr Urahne ist der Ziegelstein. Auch er, noch ungenießbarer als alle anderen, wurde bereits neben weiteren Speisen an der Feuerstelle aufgewärmt. Eingewickelt in Lappen musste er dann im Bett seiner Besitzer auf die eigene Abkühlung warten, um eines schrecklichen Morgens doch noch in ein Haus eingemörtelt zu werden.

Eine unglaubliche Respektlosigkeit seitens der gedankenlosen Besitzer: Schließlich war der Ziegelstein nicht schuld daran, dass der Mensch am sechsten Tage mit kalten Füßen auf die Welt kam.

Johannes Metzler