Es gibt ganz genaue Vorgaben vom Bundesgerichtshof“

Spiegel“-Reporterin Gisela Friedrichsen verfolgte alle drei Gerichtsverfahren um die Ermordung der beiden Weimar-Töchter

Die Journalistin Gisela Friedrichsen vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hat alle drei Verfahren gegen Monika Böttcher (ehemals Weimar) verfolgt und 1988 ein Buch veröffentlicht: „Der Fall Weimar. Kindsmord in der Provinz“. Weil sie die Verurteilung von Böttcher im ersten Verfahren juristisch nachvollziehen konnte, selbst dann noch, als die neuen Anwälte Böttchers ein Wiederaufnahmeverfahren erzwangen, wurde sie von den Verteidigern öffentlich angegriffen. Die Kritik gipfelte in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, die zurückgewiesen wurde.

taz: Sie waren seit dem Verfahren in Fulda von der Schuld Monika Weimars überzeugt. Und Sie sind auch nach dem Freispruch in Gießen 1995 nicht von ihrer Position abgerückt. Bleibt man, wenn man über so viele Jahre hinweg die Geschichte einer Tat verfolgt, frei von eigenen Überzeugungen oder Vorurteilen?

Gisela Friedrichsen: Als ich zum ersten Mal nach Fulda fuhr, war ich völlig frei. Ich habe mich im Verlaufe dieses ersten Prozesses schwer damit getan, mir ein Bild zu machen. Aber irgendwann ist das Bild dann entstanden. Es waren immerhin 44 Prozesstage, und ich hatte an den meisten Tagen teilgenommen. Insofern war für mich Fulda meinungsbildend. Das Urteil „lebenslänglich“ sah ich juristisch als korrekt an. Nur menschlich tat ich mich damit schwer. Denn wann immer Eltern so etwas tun, befinden sie sich subjektiv in einer ausweglosen Situation. Da überkommt sie auf einmal der ganze Jammer ihrer Existenz und sie geraten in eine Notlage, aus der heraus sie keinen Ausweg mehr sehen.

Als 1995 dann das Landgericht Gießen die Angeklagte freisprach, waren Sie überrascht.

Der Freispruch kam wirklich überraschend, selbst für die Verteidigung von Monika Böttcher. Ich habe diesen Spruch respektiert, es gibt schließlich immer noch die nächsthöhere Instanz. Ich stehe außerdem auf dem Standpunkt: Lieber einen zu viel freisprechen, als einen zu viel verurteilen. Aber das Fuldaer Urteil hatte einen entscheidenden Haken: In der mündlichen Urteilsverkündung sagte der Richter, auf das Fasergutachten allein könne man die Verurteilung nicht stützen. In der schriftlichen Begründung ist dann aber genau das geschehen.

Hatten Sie nie Zweifel?

Zweifel bleiben nach einem Urteil oft. Und dennoch kann man eine gut begründete Entscheidung treffen.

Wie haben Sie das dritte Verfahren in Frankfurt erlebt?

Der größte Unterschied zu den früheren Weimar-Prozessen liegt in der Person des Vorsitzenden Richters Heinrich Gehrke. Er verhandelt nicht wie sein Kollege in Gießen gegen seine Überzeugung. Und er hat ganz genaue Vorgaben vom Bundesgerichtshof bekommen. Er konzentrierte sich auf das Wesentliche, darum war auch dieses Mal das Tempo so schnell. Monika Böttcher hat dieses Mal ausgesagt, aber klären konnte sie viele der Widersprüche dadurch auch nicht. Was mich darum doch einigermaßen überrascht hat: dass nach 13 Jahren das Ergebnis der Beweisaufnahme unter dem Strich das gleiche wie in Fulda geblieben ist. Interview:
Philipp Maußhardt