Schulte entzieht Kultur das Vertrauen

■ Der Kultursenator macht Ernst: Noch vor Silvester will er den Kultureinrichtungen den Vertrauensschutz kündigen. Die Folge: Sie können alle Planungen ab 2001 einstellen

Kultursenator Bernt Schulte (CDU) will noch in diesem Jahr mit der Sparpolitik in seinem Bereich Ernst machen. Wie Schultes Sprecher Hartmut Spiesecke auf taz-Anfrage bestätigte, kündigt die Kulturbehörde den meisten Einrichtungen den Vertrauensschutz. Entsprechende Briefe werden noch vor Silvester verschickt. „Uns bleibt wegen des zu geringen Eckwerts leider gar nichts anderes übrig“, kommentierte Spiesecke den einmaligen Vorgang.

Auf Vertrauensschutz konnten sich bislang alle Einrichtungen berufen, die Jahr für Jahr über Zuwendungsbescheide gefördert werden. Ohne diesen Schutz müssten die Bremer Shakespeare Company, die Stadtteilgeschichtswerkstatt Brodelpott und ungezählte andere Einrichtungen jedes Jahr aufs Neue um ihre Zuschüsse bangen. Da die Trägervereine aber selbst Verträge mit MitarbeiterInnen oder KünstlerInnen abschließen, galt bisher der Vertrauensschutz. Sie konnten damit rechnen, im Folgejahr in ähnlicher Höhe gefördert zu werden. Doch damit ist es vorbei, wenn die Kündigungsbriefe in der nächsten Woche verschickt werden. Betroffen davon sind die meisten Bremer Kultureinrichtungen. Nur große Häuser wie die Kunsthalle, das Bremer Theater oder einige Stiftungen sind davon ausgenommen, weil ihre Förderung in Verträgen mit der Stadt über längere Zeiträume vereinbart ist. Allerdings sind auch diese Verträge kündbar.

Die Einschätzungen der juristischen Folgen der Vertrauensschutz-Kündigung gehen auseinander. In Senatskreisen geht man offenbar davon aus, die von Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) angekündigten „schmerzlichen Einschnitte“ schon im nächs-ten Jahr ausführen zu können. Doch in einer Vorlage für die Kulturdeputation hatte Senator Schulte kürzlich vor einer Protest- und Prozesslawine gewarnt, wenn er die im nächsten Jahr fehlenden 9,4 Millionen Mark einsparen muss (vgl. taz vom 2.12.). Dem Vernehmen nach können sich die Einrichtungen 2000 noch auf Vertrauensschutz berufen. Ab 2001 wäre das vorbei. Wer dann Verträge abschließt, handelt auf eigenes Risiko.

Schon einmal wollte der Senat den Vertrauensschutz kündigen. In der Zeit der Ampel-Koalition zwischen 1991 und 1995 wollte die Landesregierung unter dem damaligen Bürgermeister Klaus Wedemeier sowie dem Finanzsenator Volker Kröning (beide SPD) diesen Schritt durchsetzen. „Doch Vertreter der Kulturbehörde warnten vor Protesten“, erinnert sich ein damals Beteiligter. „Da haben Wedemeier und Kröning weiche Knie bekommen.“ Der jetzige Kultursenator Schulte ist aber entschlossen, diese Kündigung auszusprechen.

Während SprecherInnen von Kultureinrichtungen zurzeit noch unter sich über Aktionen beraten, klagen Projekte aus anderen Bereichen laut über ihre unsichere Zukunft. Bei einem Treffen der grünen Bürgerschaftsfraktion mit dem Netzwerk Selbsthilfe sagten VertreterInnen dieser Organisation, dass sie keinerlei Zuschusszusagen für 2000 hätten. „Das ist eine unerträgliche Zitterpartie“, so Frak-tionssprecherin Karoline Linnert.

In der Kultur werden aber nicht nur die kleinen Einrichtungen den „Gürtel enger schnallen“ müssen. Der Vertrag mit Theaterintendant Klaus Pierwoß ist genau zwei Jahre nach der Ankündigung der Verlängerung noch immer nicht unterschrieben. Strittig sind die Tariferhöhungen. Die sollen nach dem Willen des Kultursenators alle Einrichtungen fortan aus eigenem Etat bezahlen – wenn sie nicht schon geschlossen sind. ck