Multimediale Versuchskaninchen

■ In Bremen wurde ein Großversuch mit der „digitalen Signatur“ gestartet, der die Kommerzialisierung des Internet beflügeln soll

Multimedia-Großversuch in Bremen: Ab sofort sollen 10.000 ausgesuchte BürgerInnen in den Genuss der „digitalen Signatur“ kommen. Seit vorgestern gibt die „bremen online services Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG“ (BOS) entsprechende Soft- und Hardware aus – vorerst gar umsonst. Der Versuch ist bundesweit der größte seiner Art. Im Herbst waren bundesweit erst rund 200 Nutzer der digitalen Signatur registriert. Das wird sich jetzt schlagartig ändern.

Mit der Einführung der „digitalen Signatur“ soll eine neue Ära für die Kommerzialisierung des Internet eingeläutet werden. Bisher scheitert das Shoppen im Internet vor allem daran, dass die Nutzer kaum bereit sind, ihre Kreditkartennummer über das Internet weiterzugeben. Tatsächlich kommt es oft zum Missbrauch, weil das Netz noch nicht sicher genug ist. Computerhacker fangen Konto- und Kreditkartennummern ab, um dann ihre eigenen Geschäfte mit den Fremdkonten zu machen.

Auch Behörden stellen zwar Formulare ins Internet, doch diese müssen meist persönlich im Amt vorbeigebracht werden. An vielen Orten wird darüber nachgedacht, wie man das Verfahren sicherer machen und das Vertrauen der potentiellen Nutzer gewinnen kann. Der technisch ausgereifteste Weg ist derzeit die „digitale Signatur“.

Mit einer Chipkarte, einem Zusatzgerät für den Computer und einer Pin-Nummer soll der Datentransfer jetzt so sicher gemacht werden, dass auch rechtsverbindliche Unterschriften online geleistet werden können. Verschiedene zuverlässige „Trust-Center“ sorgen dafür, dass datenschutzrechtliche Regeln eingehalten werden, wenn eine Karte beantragt wird. Derzeit gibt es erst ein einziges Trust-Center, das die Telekom betreibt.

Die Vision der Zukunft ist, dass nicht nur Homebanking und Online-Shopping leicht und sicher gestaltet werden. Auch Verwaltungsakte von der KfZ-Ummeldung über Adressenänderungen bis hin zu Post-Nachsendeanträgen sollen über das Internet mit Hilfe der digitalen Signatur ausgeführt werden können. Und das alles von zu Hause und ohne lange Wege. Nebenbei spart das natürlich Personal.

Die BOS setzt in einem ersten Schritt vor allem darauf, den Bürgern die digitale Signatur schmackhaft zu machen, indem die Behördengänge vereinfacht werden soll. Derzeit gibt es zwar noch keine Möglichkeit in Bremen, mit der Karte Verwaltungsgänge zu umgehen. Bis zum Projektende am 31. August 2002 will man den Bremern aber 70 Anwendungsmöglichkeiten anbieten können, die über die Internet-Adresse www.bremen.de abrufbar sein sollen. Organisiert nach Lebensbereichen wie Studium, Umzug, Hausbau oder Heirat sollen sich zugangsberechtigte Nutzer mit ihrer Signatur-Chipkarte durch die Angebote klicken und Verträge dingfest machen können.

Da die BOS auf das Internet-Portal www.bremen.de angewiesen ist, um Kundschaft anzulocken, gibt es inzwischen eigentlich keinen Zweifel mehr daran, das die BOS versuchen wird, das Stadtinformationssystem www.bremen.de bei einer Privatisierung zu übernehmen (die taz berichtete). Die BOS gehört mit knapp über 50 Prozent der Hansestadt Bremen, die restlichen Anteile wurden unter privaten Firmen aufgeteilt. Die beiden größte privaten Anteilseigner sind die Telekom (15 Prozent) und die Sparkasse (zehn Prozent).

2002 wollen die Entwickler der digitalen Signatur so weit sein, die notwendigen Daten auf gewöhnlichen Eurocheque-Karten speichern zu können. Mit der aufgerüsteten EC-Karte könnte auch gleich via Internet bezahlt werden.

Die Telekom bietet die Signatur, wie nun in Bremen präsentiert, zwar schon seit Herbst an – allerdings als Monopolist zu horrenden Preisen bei derzeit fast keinen Nutzungsmöglichkeiten im Internet. So muss nicht nur eine monatliche Grundgebühr von acht Mark gezahlt werden: Die Ausstellung der Karte kostet 46 Mark, das Lesegerät noch einmal 100 Mark. Die BOS gibt nun 10.000 Karten und 2.000 Lesegeräte umsonst aus und verzichtet auf die Grundgebühr.

Finanziert wird das mit Geldern aus dem media@KOMM-Projekt, das zum Ziel hat, die Internet-Nutzung zu vereinfachen. Rund 36,5 Millionen Mark kann die BOS als Ausführerin des media@KOMM-Projekts in Bremen in den nächsten Jahren ausgeben. 16,5 Millionen kommen von der Bundesregierung, weitere 20 Millionen vom Land Bremen.

ChrisDowe@aol.com