Die SPD im Glaubenskrieg

■ Klaus Böger macht sich für Religion als Wahlpflichtfach stark. Walter Momper hält dagegen. Im Religionsstreit meldet sich der Ex-Spitzenkandidat als Machtfaktor zurück

SPD-Schulsenator Klaus Böger hat den Genossen einen Religionsstreit eingebrockt. Mit Walter Momper und Monika Buttgereit haben sich gestern zwei führende Sozialdemokraten dem Aktionsbündnis gegen ein Wahlpflichtfach Religionsunterricht in Berlin angeschlossen. Sie gehen damit auf Konfrontationskurs zu Schulsenator Böger, der sich in der vergangenen Woche für eine „ergebnisoffene“ Debatte über die Einführung eines Wahlpflichtfaches Religion und Ethik an Berliner Schulen ausgesprochen hatte.

Als Affront gegen Schulsenator Böger wollte Fraktionssprecher Thomas John Mompers Vorstoß gestern aber nicht werten. „Das ist das gute Recht von Herrn Momper und Frau Buttgereit, sich an dem Aktionsbündnis zu beteiligen.“ Sie seien in dieser Frage anderer Meinung als der Schulsenator. „Das ist keine Frontstellung gegen Böger“, wies John Vermutungen zurück, Momper greife seinen früheren Kontrahenten der Urwahl um die Spitzenkandidatur an. „Das Duell ist beendet“, so John.

Momper, der dem Aktionsbündnis aus eigenem Antrieb beitrat, sagte gestern: „Ich bin engagiert, weil ich es für eine sehr wichtige Sache halte.“ Noch im Sommer hatte Momper in einer Rede vor dem schulpolitischen Forum der SPD betont, dass er von Schulpolitik nicht viel Ahnung habe und sich lieber um Wirtschaftsfragen kümmere. Gestern nun erklärte er: „Ich finde Wertevermittlung in der Schule grundsätzlich gut.“ Werteerziehung solle in jedem Fach vorkommen. Er könne sich Philosophie und Religionskunde als ein benotetes Fach vorstellen, sprach sich aber gegen bekennenden Religionsunterricht aus. Die Parteilinke und Vizeparteichefin Monika Buttgereit engagiert sich als Lehrerin.

Mompers Vorstoß wird parteiintern als Indiz dafür gewertet, dass Momper sich nicht auf das repräsentative Amt des Vizeparlamentspräsidenten zurückziehen, sondern weiterhin als Machtfaktor in der SPD wirken wird. Das Dreigestirn Momper, Böger und Parteichef Strieder scheint auch in Zukunft die bestimmende Machtkonstellation der SPD zu bleiben. „Momper wird die Rolle des aktiven Elder Statesman spielen, der ohne Rücksicht auf die eigene politische Zukunft Position beziehen kann“, meinte gestern Vizefraktionschef Christian Gaebler. „Das finde ich ganz vernünftig.“

Momper, der sich als SPD-Abgeordneter der Parlamentarischen Linken angeschlossen hat, ergreift die Gelegenheit, sich als der wahre Sozialdemokrat zu gerieren, meinen Parteifreunde. In finanzpolitischen Fragen gehöre Momper zwar zu den Modernisierern, bei den „weichen“ Themen vertrete er aber zum Teil traditionalistische Positionen. Momper weiß in der Frage des Religionsunterrichtes dabei nahezu die gesamte Partei hinter sich. Bislang ist noch kein Genosse Böger öffentlich beigesprungen, der mit seiner Ankündigung die Beschlusslage der Partei hinter sich gelassen hat. Kritiker warfen Böger gestern vor, dass er sich in Parteigremien nie offen für ein Pflichtfach Religionsunterricht ausgesprochen habe.

Parteichef Strieder hatte beim SPD-Parteitag Anfang Dezember noch verkündet, es sei ein großer Erfolg, dass die von der CDU gewünschte Einführung eines Wahlpflichtfaches Religion in den Koalitionsverhandlungen abgeschmettert werden konnte. Nachdem Böger das Thema – freilich eher versehentlich – wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat, versucht sich Strieder als Moderator des Konflikts: Die Berliner SPD werde sich der Debatte um Wertevermittlung in unserer Gesellschaft stellen, erklärte er. „Diese wichtige Diskussion ist nicht mit der Einrichtung eines Schulfaches allein zu beantworten.“ Parteivize Klaus-Uwe Benneter erklärte gestern, durch eine „Ungeschicklichkeit“ sei der Eindruck entstanden, der Religionsunterricht sei das Hauptproblem der Berliner Schule.

Böger wollte sich gestern nicht äußern. In einer der nächsten Fraktionssitzungen soll das Thema intensiv beraten werden.

Dorothee Winden

Julia Naumann