Däubler-Gmelin will Homo-Partnerschaften nicht anerkennen
: Die schwäbische Verhindrerin

Vor gut einem Jahr haben höchst unterschiedliche Menschen einen Machtwechsel ersehnt. Arbeiter, Angestellte und ihre Gewerkschaftler. Türken, Bosnier, Asylbewerber und deren Verbandsfunktionäre. Und: die Homosexuellen. Ein Gros der Lesben und Schwulen haben SPD oder Grüne gewählt, weil beide Parteien versprachen, im Falle einer Regierungsübernahme dafür zu sorgen, dass Homosexuellen alle Bürgerrechte gewährt werden. Rot-Grün war für sie einzige, die potenziell wirksamste Option, den Status als leidlich Tolerierte verlassen zu können.

Hierfür brauchte es nur einige Gesetzesänderungen. Unter anderem das Recht auf Anerkennung homosexueller Partnerschaften mit allen Pflichten und Rechten. Regelungen über die Integration ausländischer PartnerInnen. Steuervorteile im Falle einer Partnerschaft, wie sie Heterosexuelle auch genießen, weil für standesamtlich besiegelte Lebensgemeinschaften auch finanzielle Pflichten anfallen. Erbschaftsreformen, die den überlebenden Teil einer lesbischen oder schwulen Beziehung davor schützen, dass die Blutsverwandten den ersten Zugriff auf das Vermögen des Toten haben.

Herta Däubler-Gmelin schien als Justizministerin zunächst eine gute Wahl. Sie genießt auch innerhalb konservativer Kreise bis weit in das konservativ-protestantische Milieu hinein Respekt. Es hieß, gerade wegen ihrer Gediegenheit könnte sie verhindern, dass bürgerrechtliche Verbesserungen für Homosexuelle am antiaufklärerischen Furor der Union, wie bei der Frage des Doppelpasses, scheitern.

Diese strategischen Überlegungen waren offenkundig zu kompliziert. Wie sich nach gut einem Jahr rot-grüner Regierung herausstellt, will die schwäbische Politikerin an dieses zentrale Reformvorhaben ihrer Partei gar nicht auf nicht diskriminierende Weise heran. Die Vorschläge, die sie und ihr Ministerium vorgelegt haben, liegen weit hinter den Vorgaben zurück, die der Supreme Court im US-Staat Vermont formuliert hat, auch hinter denen des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Ohnehin nicht konkurrenzfähig sind sie mit den liberalen Gesetzen, die in EU-Ländern wie Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark etabliert werden konnten.

Was das Justizministerium formuliert hat, bürdet Schwulen und Lesben, so sie in einer Partnerschaft leben, nur Pflichten auf, die Rechte bleiben ihnen hingegen verwehrt. Nicht einmal einen gesetzgeberischen Zeitplan hat sie bislang liefern können. Da ihre Reförmchen die Diskriminierung nur fortsetzen, muss das nicht schlecht sein. Was sie bieten, sind Winzigkeiten: Denn weiterhin gilt Heterosexualität als exklusiv grundgesetzgeschützt, homosexuelle Partnerschaften sind zweitrangig.

In Wirklichkeit kristallisiert sich heraus, dass Herta Däubler-Gmelin gar keine echte Reform will. Hetero- und Homosexualität seien nicht vergleichbar, sagt sie. Na und? Geht es in beiden Fällen etwa nicht um Liebe, um Lebensperspektiven – und bei Schwulen und Lesben um ein politisches Symbol, aus der Ecke der Parias herauskommen zu können.

Eigentlich muss die Regierung sich derzeit nicht fürchten: Die Union bangt um ihre politische Zukunft, da wird sie nicht anfangen, das gesunde Volksempfinden zu mobilisieren. Der katholische Klerus hat genug Schwierigkeiten, seinen Gläubigen zu erklären, weshalb er in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs sich nicht auf den Boden der Tatsache begeben will. Die Regierung steht seit Holzmann und der CDU-Spendenaffäre so gut da wie nie. Die Justizministerin könnte locker eine Reform angehen. Eine, die auch als Dank für die Wahlunterstützung durch Homosexuelle begreifbar wäre. Doch Däubler-Gmelin tut nichts und verweist auf die Kirchen, die sich hinter den Kulissen gegen jede Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften stark machen. Das mag sein, aber welche Kirche meint sie? Die pietistische aus ihrer schwäbischen Heimat? Oder die von den Kirchentagen? Es gibt nicht nur eine Kirche. Einmal mehr erweist sich, dass gerade Sozialdemokraten es schwer haben mit dem Respekt vor Menschen, die nicht nach kleinbürgerlichem Muster leben. Däubler-Gmelin persönlich ist unwillig, und sie wird es wohl bleiben. Die Ministerin ist eine Verhindrerin. Sie wird damit über kurz oder lang zur Belastung für die Regierung. Jan Feddersen