Ohne Wohnung kein Recht auf Christbaum

Im Rheinischen können Obdachlose die Heilige Nacht nur erschwert unter dem Weihnachtsbaum verbringen. Herzlose Sachbearbeiter und Verwaltungsrichter haben den Christbaum-Zuschlag gestrichen ■ Von Nicole Maschler

Wer auf der Straße lebt, hat die Natur gleich nebenan. So müssen die Richter am Koblenzer Verwaltungsgericht gedacht haben, als sie einem wohnungslosen Sozialhilfeempfänger den Weihnachtsbaum verweigerten. Der Mann war vor Gericht gezogen, weil ihm seine Heimatstadt kurz vor Weihnachten den Christbaumzuschlag gestrichen hatte.

Wofür Sozialhilfeberechtigte „Weihnachtsgeld“ bekommen, ist bei Sozialämtern genau festgelegt: In Rheinland-Pfalz sind das jeweils 37 Mark für Festtagsschmaus und Gabentisch, 31 Mark für „Beziehungen zur Umwelt“ – und eben 31 Mark für den Weihnachtsbaum.

Für Schlafsäle von Obdachlosenunterkünften stellten die Stütze-Sachbearbeiter allerdings eine ganz andere Rechnung auf: In Mehrbetträumen könne gar nicht jeder seinen „privaten Weihnachtsbaum“ aufstellen. Sie strichen den Tannenbaumzuschlag. Müssen in diesen Tagen nicht ohnehin alle den Gürtel enger schnallen? Das Verwaltungsgericht lieferte die Begründung für die Sparmaßnahme: „Die Lebensweise eines Obdachlosen schließt es regelmäßig aus, diesen Teil des gesellschaftsüblichen Weihnachtsritus mit zu vollziehen.“

„Das ist eine Frechheit, was die sich anmaßen“, sagt Gerald Denkler von der Berliner Selbsthilfegruppe Mob. Für Obdachlose seien dreißig Mark viel Geld. Gerade vor Weihnachten müssten sie mehr ausgeben als sonst. Die Geschäfte sind geschlossen, die Lebensmittel an Tankstellen oder Kiosken teurer.

ber die Sparwut der Koblenzer Richter wundert sich der Vereinsvorsitzende von Mob nicht. Denkler, selbst lange Zeit „auf Platte“, befürchtet auch in anderen Bereichen Kürzungen. „Dagegen werden wir in jedem Fall vorgehen“, sagt er – und droht mit der Besetzung von Bezirksämtern. In Berlin leben rund 7.000 Obdachlose, bundesweit sind es nahezu 50.000. Den Wohnungslosen geht es nicht nur ums Geld. „Wenn sie schon nicht mit ihrer Familie feiern können, möchten sie doch zumindest ein wenig intime Atmosphäre.“ Als er noch durch München zog, so erinnert sich Denkler, trafen sich an Heiligabend immer 40 bis 50 Obdachlose unter einer Isarbrücke. Weihnachten feierten sie „mit Baum und Kerzen und allem, was dazugehört“.

Dafür haben die Koblenzer Richter jedoch keinen Sinn. Es könne ausgeschlossen werden, so ihre Urteilsbegründung, dass ein Obdachloser einen Weihnachtsbaum auf dem Rücken oder Gepäckträger seines Fahrrades in der Weihnachtszeit von Ort zu Ort transportiere.