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Schweinkram statt Schmerz

Zur Bekämpfung von Schmerzen muss man nicht zur Nerven-Abdumpfungs-Pille greifen. Das lehrt der New Yorker Narkosefacharzt Dr. Peter Staats. Der Mann hat eine Studie erstellt, die auf der stolzen empirischen Basis von 40 Testpersonen beruht. Diese Anzahl Studenten hieß Staats die Hände in eiskaltes Wasser tauchen; den Großteil der Gruppe bat der Narkosefex dann, an nichts zu denken – eine kleine Minderheit dagegen hielt er an, „sich sexuelle Details auszumalen“. Ergebnis: ohne Schweinkram im Kopf – eine Minute Verweildauer von Hand in Eiswasser; mit Ferkeleien – drei Minuten.

 Das Experiment wirft Fragen auf: Wozu soll es, erstens, gut sein, wenn man seine Hände länger in Eiswasser tauchen kann als andere? Wieso sind ausgerechnet Sexfantasien schmerzlindernd? Tut’s nicht im allgemeinen eher weh, an Sex zu denken, wenn man nicht unmittelbar zur Verübung schreiten kann? Das mag weniger der Fall sein, wenn wenigsten die Hände in Eiswasser gelagert sind. Aber was ist mit anderen Fantasien, z. B. Welterlösungs-wahn? Könnte hier womöglich sogar der Kommunismus sich noch mal nützlich machen? Und was tut man, wenn Schmerz anfällt, aber der Gedanke an sexuelle Fantasien sich verbietet? Zum Beispiel wenn man in einer Konferenz der aufregendsten aller Kolleginnen gegenüber sitzt, während man von einer Wespe gestochen wird? Oder sich beim Entzünden des Weihnachtsbaumes heißes Wachs über die Pratzen jaucht, in Anwesenheit der präpubertären und unablässig von Schweinkram schwadronierenden Kinder, aber keinesfalls sexuelle Gedanken riskieren will?

 „Ich möchte den Patienten allerdings nicht raten, jetzt nur noch an Sex zu denken“, scherzt Dr. Staats dann auch. Wohl wahr: Auf der Autobahn bei Tempo 180 wirken allzu exzessive Gedanken an den Vollzug des Geschlechterverkehrs durchaus nicht schmerzverhindernd; eher im Gegenteil. Was übrigens die letzten kleinen Schmerzen vor dem Weihnachtsfest angeht – z. B. Heimwerkerunfälle –, so mag jeder für sich selbst entscheiden, ob die Methode Schweinkram hier angezeigt ist. Den allgemeinen Seelenschmerz über die dumpfe Weihnachtsverlogenheit jedenfalls wird man mit ferkeligen Fantasien in der Tat weitgehend abtöten können. Klaus Nothnagel