Kein Denkmalschutz für Helmut Kohl

■ CDU-Vorstand fordert in der Parteispendenaffäre vom Ex-Kanzler ein Geständnis: Kohl soll seine Geldgeber benennen. Merkel: Ära Kohl „ist vorbei“

Berlin (taz) – Das Denkmal stürzt. Gestern hat das CDU-Präsidium demonstrativ und eindringlich Ex-Kanzler Helmut Kohl aufgefordert, die Namen der Spender preiszugeben, von denen er nach eigenen Angaben in den Jahren 1993 bis 1998 rund zwei Millionen Mark kassiert hat, ohne dass das Geld im offiziellen Rechenwerk der Partei aufgetaucht ist. Bisher ist der CDU-Ehrenvorsitzende dazu nicht bereit.

Für Kohl, der an der Sitzung des Parteivorstands nicht teilgenommen hatte, wird es nun eng. Die Geduld der Parteimitglieder scheint zu Ende. „Es wäre richtig und hilfreich, wenn er die Spender nennt“, sagte Parteichef Schäuble gestern vor der versammelten Presse, wehrte sich aber auch dagegen, die „Lebensleistung von Helmut Kohl in den Hintergrund zu drängen“.

Schäuble stellte gestern einen ersten Zwischenbericht der Wirtschaftsprüferkanzlei Ernst und Young zu dem dubiosen Finanz- und Spendengebaren der CDU „in den vergangenen Jahren“ vor. Er musste aber schnell einräumen, dass die bisherigen Bemühungen der Prüfer nur zu sehr lückenhaften Ergebnissen geführt haben.

Kein Wunder: Vielfach ist das Material unvollständig. Das gilt besonders für die Akten aus der Zeit vor der sechsjährigen Aufbewahrungsfrist, aber auch für Belege für das Poolkonto, das von dem langjährigen CDU-Finanzberater Weyrauch an dem Schatzmeister der Partei vorbei geführt worden ist. Für die Jahre 1994 bis 1996 weisen die Unterlagen zu diesem Konto erhebliche Lücken auf. Nach Auskunft der Kanzlei Weyrauch seien die Unterlagen bei einem Umzug des Büros verloren gegangen, referierte Schäuble.

Nach seinen Ausführungen entpuppte sich das Kontensystem der CDU in der Ära Kohl als ein kaum zu durchschauendes Labyrinth. „Die Treuhandkonten bildeten ein geschlossenes System. Es gab zumindest ein Poolkonto, aus dem die übrigen Treuhand-Anderkonten gespeist wurden, sodass sich nach Vorlage aller Konten ein in sich geschlossenes System ergeben müsste. Die Konten wurden jeweils durch Bareinzahlungen gespeist“, sagte Schäuble.

Er kündigte an, dass „angesichts der lückenhaften Faktenlage“ nicht auszuschließen sei, dass es „trotz allem politischen Willen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht mehr möglich sein“ werde, „alle Einzelheiten lückenlos zusammenzustellen“.

Gegen Kohl soll möglicherweise schon nächste Woche ein Ermittlungsverfahren von der Bonner Staatsanwaltschaft eröffnet werden. Sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner will der Staatsanwaltschaft noch in dieser Woche eine Stellungnahme übermitteln. Es sei aber noch „offen“, ob gegen den Altkanzler ermittelt werde.

Die öffentlichen Äußerungen von CDU-Generalsekretärin Angela Merkel, in denen sie sich demonstrativ für eine deutliche Emanzipation von Kohl aussprach, stießen in der Partei auf ein durchweg positives Echo. Die Zeit von Helmut Kohl sei „unwiederbringlich vorbei“, hatte sie in der FAZ erklärt. Karin Nink

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