Keine Krippe im Koran

■ Auch wenn Weihnachten durch und durch christlich ist, feiern manche Muslime mit – meist den Kindern zuliebe

Früher dachte Leyla Akdemir-Kerner, Weihnachten könne einfach so ausfallen. Kein Baum, keine Gans, keine Geschenke. Schließlich steht im Koran nichts von einer herumirrenden Familie in Bethlehem geschrieben, und wenn die türkische Mutter Pech hat, so wie dieses Jahr, fällt das christliche Fest auch noch mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan zusammen.

Doch dann kam ihre Tochter Gül in den Kindergarten und nichts war wie vorher: Spätestens ab dem ersten Advents-Wochenende faselte die ganze Gruppe um Gül herum nur noch von Geschenken. „Das wäre überhaupt nicht gegangen, dass wir uns da raushalten“, lacht die Friseurin, die bei „Six“ Vor dem Steintor arbeitet, „das kann man doch dem Kind nicht antun.“ Fortan wurden also auch bei Akdemirs Geschenke gekauft und – wenn auch leicht verschäm t– zu Weihnachten überreicht. Dieses Jahr – inzwischen ist Gül 13 Jahre – gibt es die Geschenke erstmals nicht am Heiligen Abend, sondern „irgendwann in den Tagen drumherum“, erzählt die Mutter. „Schließlich ist es eigentlich gegen unseren Glauben, und langsam ist Gül auch alt genug, um das zu verstehen.“

Der 28-jährige Okan Gülec, der seit 1974 in Bremen lebt, hat sich längst an Weihnachten gewöhnt – und zwar ebenfalls, weil ein Kind sonst unglücklich geworden wäre. „Am Anfang war das für meine Eltern undenkbar“, erzählt er, „aber als meine kleine Schwester geboren wurde, haben sie auch mit den Geschenken angefangen, um sie nicht zu enttäuschen.“ Heute fällt ihm kaum noch auf, dass Weihnachten ein christliches Fest ist: „Für mich hat das mit Kultur zu tun“, erzählt er, „und ich lebe nun mal hier“. Also sitzt er heute Abend unter dem Baum, futtert eine Gans und freut sich über Geschenke.

Hört man sich unter türkischen Bremern im Viertel um, könnten die Antworten kaum unterschiedlicher sein: An der ersten Generation geht Weihnachten oft spurlos vorüber; vor allem die Jüngeren haben das Fest zum Teil völlig verinnerlicht. Einer ärgert sich, dass er Heiligabend Geburtstag hat und nie einer seiner deutschen Freunde mit ihm feiert; ein anderer hat sich bei einer deutschen Familie zum Essen einladen lassen, weil es zu Hause immer so langweilig ist.

Andere verbringen den Abend wie alle anderen Abende auch: „Es gibt ja inzwischen schon jede Menge Restaurants, die für Leute wie uns geöffnet haben“, erzählt Ali Mangal aus dem „Kitschladen“. Er wird sich, wie all die Jahre zuvor auch schon, auch dieses Mal nicht den christlichen Bräuchen hingeben. Was er macht ist offen: vielleicht Essen gehen, vielleicht ins Kino. Richtig gefeiert wird erst Silvester – doch auch das, dem Ramadan sei Dank, ganz ohne Sekt und Schnaps. jago