: Zwangsarbeiter: Erst zählen, dann zahlen
■ Immer mehr Berliner Unternehmen beteiligen sich am Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter. Die Höhe der Beteiligungen ist zumeist noch unklar. Die Firmen wollen zunächst genau ermitteln, wie viele schuften mussten
Nach und nach wollen sich mehr Berliner Unternehmen an der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter beteiligen. Der Pharma-Konzern Schering, eines der größten Berliner Unternehmen, hatte in dieser Woche erklärt, der Stiftungsinitiative beizutreten. Nach Informationen aus Stiftungskreisen sind entsprechende Anfragen auch von drei weiteren Unternehmen aus dem Berliner Raum eingegangen: von dem Stromversorger Bewag, der Bankgesellschaft Berlin sowie dem Ingenieurbüro Ahner/Brehm aus Königs Wusterhausen.
Man beteilige sich aus moralischen und solidarischen Gründen, erklärte gestern ein Schering-Sprecher. Nach Schering-Angaben waren 400 Zwangsarbeiter in der Firma beschäftigt. Über die Höhe der Beteiligung wollte der Sprecher keine Auskunft geben.
„Tatsache ist, wir treten bei“, sagte auch Bewag-Sprecher Siegfried Knopf. Derzeit suche man einen Historiker. Dieser solle prüfen, wie viele Zwangsarbeiter in den Kraftwerken arbeiten mussten. Wenn dies geklärt sei, wolle man einen angemessenen Beitrag leisten.
Auch das Ingenieur- und Sachverständigenbüro Ahner/Brehm bestätigte gestern, der Initiative beigetreten zu sein – obwohl das Unternehmen 1992 gegründet wurde und mit der NS-Zeit nichts zu tun hatte. „Uns regt die ganze Diskussion auf“, sagte Geschäftsführer Jochen Brehm. Jeder rechne nur, wie viele Zwangsarbeiter bei ihm schuften mussten. Dabei sei völlig klar, dass großes Unrecht geschehen sei und sich jetzt alle an der symbolischen Wiedergutmachung beteiligen müssten. Das in der Landschaftsplanung tätige Ingenieurbüro mit sechs Mitarbeitern werde einen vierstelligen Betrag stiften. Bei der Bankgesellschaft Berlin wollte man gestern keine Stellungnahme abgeben.
Die Berliner Wasserbetriebe wollen im Januar die Ergebnisse einer internen Untersuchung vorlegen. „Dann entscheiden wir, ob wir der Initiative beitreten“, sagte Firmensprecher Stephan Natz.
Bereits vor einer Woche hatte die Industrie- und Handelskammer an die Berliner Unternehmen appelliert, sich der Stiftungsinitiative anzuschließen. Bisher habe es allerdings noch keine Reaktionen darauf gegeben, sagte IHK-Sprecher Egbert Steinke. Dies könne daran liegen, dass die Verfahrensweise in der Stiftung noch unklar sei. „Vielleicht kommen demnächst mehr Unternehmen dazu.“
Richard Rother
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