Tausche Religion gegen grundständige Gymnasien

Um die SPD vom Wahlpflichtfach zu überzeugen, könnte der Schulsenator ein Tauschgeschäft mit der CDU aushandeln

Noch ist Schulsenator Klaus Böger (SPD) in seiner Partei isoliert. Sein Vorstoß, ein benotetes, versetzungsrelevantes Wahlpflichtfach Religion, Ethik/Philosophie ab der 7. Klasse einzuführen, stößt auf erheblichen Widerstand. Böger wird, schon um sein Gesicht zu wahren, einen Kompromiß finden müssen, der auch die Fraktion überzeugt. Denn ihre Stimmen braucht Böger im Parlament: Für die Einführung des Wahlpflichtfachs muss das Schulgesetz geändert werden, dessen grundlegende Novellierung in dieser Legislaturperiode ansteht.

Wenn Böger sein Vorhaben durchsetzen will, muss er dies den innerparteilichen Kritikern schmackhaft machen. Und zu diesen gehören, wie berichtet, auch der ehemalige Spitzenkandidat und die Vizeparteichefin Monika Buttgereit, die sich beide dem Aktionsbündnis gegen ein Wahlpflichtfach Religion abgeschlossen haben.

Gegenüber der taz hatte Böger bereits angekündigt, dass der Religionsunterricht im überarbeiteten Schulgesetz geregelt werden soll. Damit wäre der Weg offen für einen Deal mit der CDU: Böger-Vertraute halten es für denkbar, dass der Schulsenator mit der CDU einen Kompromiss aushandelt, der auch für die SPD akzeptabel ist. Wenn die SPD-Fraktion einem Wahlpflichtfach Religion zustimmt, müsste im Gegenzug die CDU in einem anderen umstrittenen Bereich Zugeständnisse machen, zum Beispiel bei den grundständigen Gymnasien, die schon in der 5. Klasse beginnen. „Dafür kann Böger in der Fraktion durchaus Zuspruch bekommen“, sagte ein Vertrauter aus Bögers Umfeld.

Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass Parteichef Peter Strieder sich gegen die Verknüpfung von Schulgesetzänderung und Einführung des Pflichtfaches Religion aussprach. Auch wenn er sich derzeit bedeckt hält, ist er gegen das Wahlpflichtfach.

Bögers möglicher Deal brächte für die Genossen insofern einen Gewinn, weil bei der Änderung des Schulgesetzes die kontroverse Frage der grundständigen Gymnasien wieder auf die Tagesordnung kommt. Bei einem Tausch Religionsunterricht gegen grundständige Gymnasien wäre die Zustimmung beider Parteien möglich. Bögers Vorgängerin Ingrid Stahmer (SPD) hatte das Gesetz nicht ins Parlament einbringen können, weil sich CDU und SPD nicht einigen konnten.

Wird das Schulgesetz von der Großen Koalition tatsächlich verabschiedet, fehlt nur noch die Finanzierung. Die GEW rechnet mit Mehrkosten von mindestens 200 bis 300 Millionen Mark jährlich. Doch da die CDU das Finanzressort übernommen hat, sind die Chancen für die Bewilligung gestiegen.

Die Schüler müssten dann zwischen Religionsunterricht und Ethik/Philosophie wählen. Der islamkundliche Unterricht soll in das Gesamtpaket integriert werden. Die Vorschläge des Aktionsbündnisses gegen ein Wahlpflichtfach Religion haben damit nur eine Chance, wenn alles beim Alten bleibt. Noch hat das Aktionsbündnis kein Konzept vorgelegt. Vorstellbar wäre ein religionsübergreifendes, nicht benotetes Pflichtfach.

Derzeit besuchen weniger als die Hälfte der 400.000 SchülerInnen den freiwilligen Religionsunterricht oder das Alternativfach Lebenskunde. Etwa 100.000 nehmen am evangelischen Religionsunterricht teil, rund 25.000 SchülerInnen am katholischen Unterricht. Lebenskunde haben mehr als 20.000 belegt. Julia Naumann