Erste Bausteine eines Nachkriegs-Algerien

Premierminister tritt zurück, gemäßigte bewaffnete Islamistengruppe löst sich auf

Madrid/Algier (taz/AFP) – Algeriens Ministerpräsident Smail Hamdani hat gestern seinen Rücktritt eingereicht. Damit macht er den Weg frei für Präsident Abdelaziz Bouteflika, eine Regierung nach eigenem Geschmack zu bilden. Bouteflika hatte bei seiner Wahl im April das seit Dezember 1998 amtierende Kabinett Hamdani von seinem Vorgänger Lamine Zéroual geerbt. Sein Zögern, ein neues zu bilden, war in den letzten Wochen immer öfter als Zeichen regimeinterner Machtkämpfe gewertet worden. Algerischen Zeitungen zufolge soll der frühere Finanzminister und Senator Ahmed Benbitour neuer Premierminister werden.

Die Regierungsumbildung folgt kurz auf die Selbstauflösung der Islamischen Armee des Heils (AIS), militärischer Flügel der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS), die ihr Führer Madani Mezrag am Mittwoch ankündigte. Bis jetzt haben 220 AIS-Kämpfer die ihnen nach dem Waffenstillstand vom Oktober 1997 zugeteilten Rückzugsgebiete verlassen. Bis zum 13. Januar sollen die restlichen 2.500 folgen.

Die Auflösung der AIS ist das Ergebnis von Geheimverhandlungen zwischen den bewaffneten Islamisten und der Führung der algerischen Armee im Sommer 1997. Sie verständigten sich auf einen Fahrplan für die Beilegung des Krieges, der 1992 ausgebrochen war, nachdem die Armee die ersten freien Wahlen des Landes annullierte und die siegreiche FIS verbieten ließ. Das Abkommen vom 20. August 1997 legte fest, dass die AIS auf „alle bewaffneten Aktivitäten“ verzichtet. Die Armeeführung erklärte sich im Gegenzug zu einer Amnestie bereit. Das Gesetz zur Zivilen Eintracht gab dem dieses Jahr einen rechtlichen Rahmen. Für die FIS selbst handelte die AIS eine „bedingte Rückkehr“ auf die politische Bühne aus. Auch dieses Versprechen erfüllten Armeeführung und Präsidentschaft. Am Wochenende wurde in Algier die neue islamistische Partei Wafa (Treue) gegründet.

Wer bis zum Auslaufen des Gesetzes am 13. Januar die Waffen nicht niederlegt, muss mit unerbittlicher Härte rechnen, kündigte Bouteflika an. Man werde „wirklich alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen“, droht der algerische Staatschef den noch aktiven radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) und kleineren Abspaltungen. Obwohl ihnen seit dem Sommer 2.500 Kämpfer davonliefen, haben sie in den letzten Wochen ihre Aktivitäten überall im Lande verstärkt. Seit Beginn des Fastenmonats Ramadan am 9. Dezember verloren bei Massakern über 100 Menschen ihr Leben. Der wohl spektakulärste Anschlag gelang den GIA möglicherweise am 22. November, als ein Kommando mitten im Zentrum Algiers die gemäßigte Nummer drei der FIS, Abdelkader Hachani, niederschoss. Die Urheberschaft des Anschlags ist jedoch umstritten.

Ein Teil der demobilisierten AIS-Kämpfer soll in Spezialeinheiten der Armee zur Bekämpfung des islamistischen Untergrunds aufgenommen werden. Ab Januar werden sie dann in der angekündigten Großoffensive gegen ihre einstigen Mitkämpfer zum Einsatz kommen. wand

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