ETA wollte Weihnachten bomben

■ Spanische Polizei entdeckt zwei Lieferwagen voller Sprengstoff und vereitelt so einen Doppelanschlag der ETA. Innenminister spricht von schönstem Weihnachtsgeschenk

Madrid (taz) – Kriegerische Weihnachten sollten es werden. Die baskische Separatistenorganisation ETA plante für die Festtage den größten Anschlag ihres 30-jährigen bewaffneten Kampfes für die Unabhängigkeit des Baskenlandes. Zwei mit Sprengstoff gefüllte Lieferwagen wurden am Montag und Mittwoch von der spanischen Polizei Guardia Civil 150 Kilometer von Madrid entdeckt. Gestern fiel den Ermittlern in der Baskenprovinz Alava ein ETA-Depot in die Hände. Der Inhalt stammte aus einem Raub in einer Sprengstofffabrik im September in der Bretagne. Vermutlich wollte die ETA zwei Gebäude der Hauptstadt sprengen, um sich am Monatsanfang zurückzumelden.

Auf den ersten Lieferwagen wurde die Polizei am Montag nahe Catalayud aufmerksam, als er mit überhöhter Geschwindigkeit Richtung Madrid brauste. Auf der Ladefläche befanden sich 950 Kilogramm Sprengstoff. Am Steuer saß ein ehemaliger Gemeinderatskandidat der ETA-nahen Partei Herri Batasuna (HB). Er habe den Lieferwagen für 600 Mark nach Madrid an den Flughafen überführen sollen, sagte er aus. Am Mittwoch fand die Guardia Civil 30 Kilometer weiter einen zweiten Lieferwagen auf dem Parkplatz eines Hotels an der Straße in der Nähe von Alhama de Aragon. Die Ermittlungsbehörden vermuten, dass die ETA in der Hauptstadt ein mindestens vierköpfiges Kommando alter Kämpfer installiert hat.

Die spanische und baskische Presse glaubt nicht an eine zufällige Kontrolle. Die Gründe für die Fahndungserfolge dürften andere sein. „Wir sind löchriger als ein Schweizer Käse“, beklagte sich ein Etarra vor zwei Jahren. Entweder ist die ETA von Geheimdiensten unterwandert, oder ein Teil der Organisation sabotiert das Waffengeplänkel, um ein Ende des bewaffneten Kampfes zu erzwingen. Der Schlag gegen die ETA sei „das schönste Weihnachtsgeschenk für alle Spanier“, erklärte Innenminister Jaime Mayor Oreja. Nur einer wollte sich gar nicht so recht freuen. „Mayor Oreja ist ganz scharf darauf, dass die ETA zuschlägt“, wetterte der Vorsitzende der im Baskenland regierenden gemäßigten Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV), Javier Arzalluz. Mit der Flucht nach vorn versucht er die Kritiker an seiner Politik zum Verstummen zu bringen. Die PNV regiert trotz Ende des Waffenstillstands weiter mit Unterstützung der ETA-nahen HB und hat sich in den letzten Wochen sogar verpflichtet, auf das ETA-Umfeld stärker zuzugehen, um „einen neuen rechtlich-politischen Rahmen zu finden, der es allen Basken erlaubt, ihre inneren und äußeren Beziehungen frei zu gestalten“. Reiner Wandler