Steuergeschenk für den Geldadel

Eichels Extra für Banken und Unternehmen in der Steuerreform: Sie sollen ihre Industriebeteiligungen künftig steuerfrei verkaufen dürfen ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Es gibt wieder eine Topwette an der Börse, die die Jahresendrallye bestimmt und den Dax auch die nächsten Tage auf Höchstständen halten kann. Gewettet wird seit Donnerstag, ob Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) das im Rahmen seiner Unternehmenssteuerreform geplante zusätzliche Steuergeschenk für die großen Unternehmen tatsächlich durchsetzen kann.

Der Passus war bei der Vorstellung der Eckpunkte zur Unternehmenssteuerreform am Dienstag beinahe komplett untergegangen: Ab dem übernächsten Jahr sollen Kapitalgesellschaften neben den ausländischen auch ihre inländischen Beteiligungen steuerfrei verkaufen dürfen – wenn der Anteil an dem Unternehmen mindestens 10 Prozent beträgt und der Gewinn reinvestiert wird.

Die ersten, die reagierten, waren die Börsianer. Die Wirtschaftsverbände dagegen hielten sich erst einmal zurück. Nur aus den Vorstandsetagen der Konzerne mehrten sich allmählich die vorsichtigen Zustimmungsbekundungen. Hier wollte man kaum glauben, dass Eichel es ernst meinte.

Denn profitieren würden nicht die kleinen und mittelständischen Betriebe, die die Bundesregierung ursprünglich in den Mittelpunkt ihrer Reform hatte stellen wollen, sondern vor allem die Großen unter den deutschen Banken und Versicherungen sowie Konzerne mit vielfältigen Beteiligungen, wie etwa die Siemens AG. Denn diese haben in der Vergangenheit enorme Vermögenswerte aufgehäuft, die bisher nur einen Schönheitsfehler haben: Wenn sie verkauft werden, stehen hohe Steuerforderungen ins Haus. Allianz-Vorstandschef Henning Schulte-Noelle hatte während der Diskussion um die Steuerreform mehrfach gefordert, den Steuertarif zu reduzieren. Dass Eichel nun komplett auf jegliche Steuermark aus dem Beteiligungsverkauf verzichten will, sei „wie eine Bescherung vor Weihnachten“, sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Ulrich Ramm. Experten gehen von einem Steuergeschenk in zweistelliger Milliardenhöhe aus. Eichels Sprecher Torsten Albig hatte erklärt, da die Unternehmen bislang kaum Beteiligungen verkauft hätten und entsprechend nichts zum Versteuern da gewesen sei, gehe dem Fiskus auch nichts verloren.

Die überraschende Steuerbefreiung scheint vor allem dem Anliegen der Bundesregierung geschuldet, mehrere zentrale Probleme gleichzeitig – und kostenneutral – lösen zu wollen. Zum einen galt es, nach den Dividenden nun auch in- und ausländische Unternehmensbeteiligungen steuerrechtlich gleichzustellen – bislang war der Verkauf ausländischer Anteile abgabenfrei, während der Veräußerungsgewinn bei inländischen mit bis zu 58 Prozent besteuert wurde. Zum anderen hofft man, auf diese Weise auch das typisch deutsche Machtgeflecht zwischen Banken, Versicherungen und anderen Unternehmen aufzubrechen (siehe Kasten). Durch die hohen Industriebeteiligungen der deutschen Kreditinstitute und Assekuranzen haben die Bankmanager nicht nur in den Hauptversammlungen der meisten Unternehmen, sondern auch in den Aufsichtsräten das Sagen. Zugleich finden sie sich dort immer wieder in Interessenkonflikten wieder, wie zuletzt im Fall Holzmann. Weil die Deutsche Bank nicht nur Hauptkreditgeber, sondern mit 15 Prozent auch einer der Hauptanteilseigner ist, kämpfte sie das Sanierungskonzept bis zum Schluss durch, statt Holzmann abzustoßen. Und das, obwohl ihre Vertreter im Aufsichtsrat wissen mussten, dass das Unternehmen marode war.

Mit der Steuerbefreiung dürfte es den Banken leichter fallen, frühzeitig auszusteigen. Nur: Ob ihre Macht dadurch begrenzt wird, ist fraglich. Schließlich resultiert die nicht allein aus den Industriebeteiligungen, sondern auch aus den Depotstimmen von Privatkunden und Firmen und aus den eigenen Investmentfonds. Und an diesen Geflechten wird sich über Steuern nichts ändern lassen.

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