: Ultraorthodoxe lassen Barak sitzen
Israels Schas-Partei bricht einen Koalitionskrach vom Zaum. Denn das parteieigene religiöse Erziehungssystem ist pleite. Nun soll der Regierungschef für die Begleichung der angehäuften Schulden sorgen ■ Von Georg Baltissen
Berlin (taz) – Die ultraorthodoxe Schas-Partei hat gestern ihren Austritt aus der israelischen Regierungskoalition angedroht, sollte Ministerpräsident Ehud Barak nicht innerhalb von 24 Stunden Zugeständnisse in der Haushaltsplanung machen. „Wir haben Herrn Barak erklärt, dass wir nicht weitermachen können wie bisher. Dies ist eine endgültige Entscheidung, die auf Veranlassung von Ovadia Josef getroffen wurde“, sagte der Schas-Vorsitzende Eli Jischai. Josef ist der geistige Mentor von Schas. Die Partei verlangt insbesondere einen finanziellen Ausgleich für die von ihr betriebenen Schulen und Kindergärten. Das Erziehungsnetzwerk der Schas steht mit umgerechnet etwa 46 Millionen Mark in der Kreide. Die Debatten um den Etat für das kommende Jahr sollen am Donnerstag im Parlament abgeschlossen werden.
In der Knesset stellt Schas 17 von insgesamt 120 Abgeordneten. Mit vier bedeutenden Ministerien – Arbeit, Gesundheit, Religion und Infrastruktur – verfügt sie über erheblichen Einfluss in der Regierung und stattliche Finanzen. All dies würde die Partei mit einem Austritt aus der Regierung aufs Spiel setzen. Barak verlöre ohne die Schas-Abgeordneten seine derzeit komfortable Mehrheit von 68 Stimmen. Und selbst wenn acht Abgeordnete von strikt säkularen Parteien aufgrund des Ausscheidens von Schas in die Regierung eintreten würden, verfügte der Premierminister noch nicht über eine Mehrheit. Dass er sich in einem solchen Fall auf die Stimmen der arabischen Abgeordneten stützen wird, ist unwahrscheinlich. Dennoch gilt seine Regierung gerade deshalb nicht als unmittelbar bedroht.
Bis jetzt ist unklar, warum Schas-Mentor Rabbi Ovadia Josef gestern ein derart deutliches Machtwort sprach. Schon unter der Regierung von Benjamin Netanjahu, der Schas ebenfalls angehörte, wurde über die Begleichung der Schulden für das parteieigene Schulsystem gefeilscht. Auch in den jetzigen Haushaltsverhandlungen war die Vermittlung zwischen Schas und dem Erziehungsministerium an dieser Frage gescheitert. Dennoch sprachen Schas-Minister am Sonntagabend noch von einem „Durchbruch“, da alle anderen finanziellen Forderungen der Partei erfüllt worden seien.
Während der Regierungsbildung im Sommer hatte Barak die sephardisch-orthodoxe Schas gegenüber dem konservativen Likud als Koalitionspartner bevorzugt. Dies vor allem deshalb, weil Schas einem Fortschritt im Friedensprozess nicht im Weg stand. Die religiöse Verbrämung durch Schas dafür lautet, dass das Land Erez Israel zwar „heilig“, jüdisches Blut jedoch „noch heiliger“ sei und deshalb nicht für Land vergossen werden dürfe.
Um Geld machte sich Rabbi Ovadia Josef aber auch im Sommer schon reichlich Gedanken. Wohl deshalb reklamierte er die Ressorts Erziehung und Inneres für seine Partei. „Wie sollen wir sonst die Schulden bezahlen?“, fragte er damals. Jetzt dürfte dem religiösen Mann schlicht die Hutschnur geplatzt sein. Dass der israelische Steuerzahler doch für einen Teil der Schas-Schulden aufkommt, dürfte am Ende wieder mal als „gelunger Kompromiss“ verkauft werden.
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