Freikarten für Abgeordnete bleiben die Ausnahme

Nach dem Regierungsumzug häuften sich die Nachfragen von Bundestagsabgeordneten nach Freikarten. Doch nicht jeder darf umsonst ins Theater oder in die Opernhäuser

Freikarten für staatliche Kultureinrichtungen gehören zu den kleinen Privilegien, die den Politikeralltag versüßen. So mancher Bundestagsabgeordnete wollte wohl nach dem Regierungsumzug das kulturelle Leben der Stadt kostenlos erkunden: Berliner Theater und Opernhäuser wurden regelrecht mit Anfragen nach Freikarten überschüttet, weiß die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Alice Ströver. „Das ging bis zur frechen Bitte, automatisch zwei Premierenkarten ins Büro geschickt zu bekommen“, erinnert sich Ströver.

Sie machte den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) in einem Brief auf das Problem aufmerksam. Das Schreiben blieb bis heute unbeantwortet. Auch die kleine Anfrage, die Ströver Ende Oktober an den Kultursenator stellte, wurde ungewöhnlich lange bearbeitet. Fast drei Monate dauerte es, bis die Kulturverwaltung die erfreuliche Botschaft verkündete: „Der Regierungs- und Parlamentsumzug hat nicht zu Sonderregelungen geführt.“

Als Grundregel gilt: Bei der Vergabe von Freikarten gilt die Protokolleinladungsliste des Senats und des Abgeordnetenhauses. Dieses Verfahren entspreche im wesentlichen dem der Stadt Bonn. Die Senatskulturverwaltung empfiehlt den Spielstätten, Freikarten allenfalls an die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien zu vergeben sowie an die kulturpolitischen Sprecher von CDU, SPD, Grünen und PDS im Abgeordnetenhaus. Denn die Kulturpolitiker, die über die Vergabe von Geldern entscheiden, müssen sich schließlich ein Bild von der künstlerischen Leistung der Häuser machen. Außerdem sollen die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat sowie die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes Freikarten erhalten. Das positive Resümee der Kulturverwaltung lautet: Der Anteil der Freikarten hat sich insgesamt nicht erhöht, sondern ist teilweise sogar rückläufig. Ein wirtschaftlicher Verlust entstehe dem Land Berlin nicht.

Alice Ströver ahnt, „dass hinter den Kulissen mächtig gewirbelt wurde, um ein akzeptables Verfahren zu finden“. Nun gelte eine ähnliche Regelung, wie sie auf Initiative der Grünen bereits Anfang der Neunzigerjahre für Berlin eingeführt wurde. Doch eines geht selbst Ströver zu weit: Vom Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann, erhielt sie kürzlich einen Brief mit dem Hinweis auf vier Premieren im Januar. Peymann verband dies mit der Bitte, sie möge sich eine Premierenkarte kaufen. Die Kulturpolitikerin meinte dazu: „Wenn ich alle Karten selbst bezahlen müsste, wären meine Diäten schnell aufgezehrt.“Dorothee Winden