Das Jahr der Champions

■ Jahresrückblick, Teil 3: Sport. Berliner Vereine tummelten sich auf der Europabühne. Zudem wurden zwei Weltrekorde aufgestellt: im Marathon und im Klappsitzmontieren

Berlin ist internationaler geworden. Nicht nur durch die in die Stadt gekommenen Diplomaten, auch durch die hiesigen Sportvereine. Nach den Korblegern von Alba sind auch die Kicker von Hertha BSC in die Europaliga eingezogen.

Zur Überraschung aller: Das Olympiastadion war den Sicherheitsanforderungen der Uefa nicht gewachsen, und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte keine Ausnahmeregelung für Hertha beantragt. Man hielt es nicht für möglich, dass die Berliner Fußballdame in der Bundesliga den dritten Tabellenplatz erreicht und in die Champions League einzieht. Zu retten war Herthas internationaler Auftritt nur durch die ungewöhnlichste Leistung des Jahres: einen Weltrekord der Klapp- und Schalensitzmontage. 36.000 Sitze in nur drei Wochen.

Die Champions League brachte ausländische Vereine ins Olympiastadion, der Hertha-Kasse etliche Millionen und das absurdeste Sportereignis der letzten zwölf Monate: Kicker im Nebel. Das Spiel gegen Barcelona haben wegen des Novemberwetters selbst die 22 Akteure nicht gesehen.

Wohl wegen Herthas zwischenzeitlichen Höhenfluga – mittlerweile scheiterte der Verein im DFB-Pokal am Zweitligisten Mainz 05 – wird Michael Preetz derzeit als Berlins Sportler des Jahres gehandelt. Im Sommer wurde er als Torschützenkönig und „Spieler der Saison“ gefeiert.

Danach hat man von Preetz allerdings nicht mehr viel gesehen – im Gegensatz zum Basketballer Frankie King. Erst seit Sommer unter Vertrag, avancierte der US-Profi schnell zum besten Spieler bei Alba Berlin. Jetzt aber ist er wieder aus dem Rennen. Kings Rausschmiss wegen Diszplinlosigkeit ist die bedauerlichste Entscheidung für den Berliner Sport.

Dabei hatten sich die Hauptstadt-Basketballer bis dahin gar nicht so schlecht gemacht. Stand das Team von Svetislav Pesic in der Europaliga zu Jahresbeginn am Tabellenende. In der jetzt laufenden Saison verpassten die Albatrosse nur knapp den wichtigen dritten Platz.

Damit sind sie wenigstens besser als die Eishockeyteams der Hauptstadt. Die haben sich als die sportlichen Luschen des Jahres 1999 präsentiert. Überraschend zogen die Eisbären zwar ins Halbfinale der Europaliga ein und scheiterten dort erst am Deutschen Meister aus Mannheim. Seit dem Sommer dürfen sie aber nur noch national übers Eis schlittern.

Also mussten andere Sportarten für internationale Events in der Hauptstadt sorgen: Im Modernen Fünfkampf, dem Judo und der gewichtigen Sportart des Sumo-Ringens wurden die „Deutschen Meisterschaften“ als „internationale“ deklariert. Nach Berlin geholt wurden auch die Weltmeisterschaften in so bedeutenden Disziplinen wie Bahnradfahren, Motorbootsport und Eisspeedway. Auch die Europameister des Cheerleading und des Soling-Segelns wurden hier ermittelt. Und als Höhepunkt des Sportsommers verwandelte sich ein Parkplatz am Alexanderplatz in eine Sandpiste, um dort das World-Tour-Tunier im Beachvolleyball auszutragen.

Selbst der jährlich stattfindende Marathonlauf bewies 1999 Weltklasse. Mit 22.758 Athleten hechelten zwar weniger Akteure als in New York. Und mit Ausnahme des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU), der am Rande der Laufstrecke Geld für das Kinderhilfswerk Unicef sammelte, ließ sich hier auch keine Politprominenz blicken. Dafür lief die Siegerin von Berlin, Tagla Loroupa aus Kenia, Weltbestzeit.

Ob der gewonnenen sportlichen Internationalität kursierten gar Gerüchte um eine Bewerbung Berlins für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2005 oder 2009. Aber nach der Olympia-2000-Pleite ist man beim Senat vorsichtig geworden. Die Stadt will erst eine erneute Bewerbung im Sportbereich unterstützen, wenn dieEntscheidungsträger zuvor signalisieren, dass Berlin überhaupt eine Chance hat. Solche Signale gibt es nicht, im Gegenteil: Zum 57. Internationalen Stadionfest steckten die Sportler knapp eine Stunde im Stau, weil man sie nicht mit Blaulicht zum Olympiastadion eskortierte. Woanders wäre das nicht passiert, waren die Athleten sich einig.

So müssen sich Berliner Sportler mit sich selbst beschäftigen. Im populären Mannschaftssport waren lokale Rivalitäten dieses Jahr unübersehbar: Die international erfolglosen Eisbären aus Hohenschönhausen ließen sich im Februar vom Außenseiter Berlin Capitals mit 1:3 überrollen, verpassten dem Westverein aber acht Monate später mit 7:0: eine schonungslose Revanche. Die Fußballmanager von Hertha BSC kauften dem Zweitligisten Tennis Borussia im Januar mit dem Kroaten Ilija Aracic den wichtigsten Spieler weg. Die Aufstiegsträume der Borussen hatten sich damit erübrigt.

Einzig die Basketballer von Alba sind in der Stadt konkurrenzlos glücklich. Mehr noch: Mit dem zweitklassigen Verein TuS Lichterfelde besteht seit 1992 ein Kooperationsvertrag, mehrere Spieler sind für beide Vereine zugelassen. Ohne Ersatz für den gefeuerten Star Frankie King dürfte den Albatrossen dieses Abkommen für die anstehende schwierige zweite Runde der Europaliga aber nur wenig nutzen. Dirk Hempel

Teil 4 am Freitag: Wirtschaft