Gewöhnliche Werktätige gegen den Weltuntergang

Derweil die Uhr mählich abläuft, hat auch Pro 7 einen Silvester-99-Film im Programm.Aber „Apokalypso – Bombenstimmung in Berlin“ ist besser als sein Titel (20.15 Uhr, Pro 7)

Schließlich bekommt Mira Meissner doch noch Recht. Nach ihrem Dafürhalten sind ihr Bruder Karl (Armin Rohde) und ihre Freundin Helen (Andrea Sawatzki) füreinander bestimmt. Der Zuschauer vernimmt's mit Skepsis, denn der brummige Brocken vom Bombenräumdienst und die zartgliedrige Religionslehrerin haben so gar nichts gemein. Befremdet, weil zwangsverbunden, hocken sie am letzten Tag des Jahres 1999 nebeneinander auf einer gewollt fröhlichen Silvesterparty, er legt ihr Sülze vor, und sie fragt, um lockeren Tonfall bemüht: „Kann man etwas gewinnen, wenn man die isst?“

Mit solchen Szenen ist das Herz des Betrachters schon halb gewonnen. Nicht unerwartet driften die beiden im nächsten Moment bereits auseinander. Karl wird zu einem Einsatz gerufen und sieht in Helen nicht mehr als eine günstige Mitfahrgelegenheit. Erneute Verabschiedung, aber Geschick oder Zufall (wenn nicht gar höhere Mächte) kletten sie aneinander, und Helen wird, dank ihrer Sprach- und Bibelkenntnisse, sogar unverzichtbar, als es darum geht, einer bombenstreuenden Weltuntergangssekte entgegenzuwirken.

Auch dies ist ein Phänomen des ablaufenden Jahres: Manche Fernsehfilme muss man gegen ihre eigenen Titel in Schutz nehmen. Dieser gehört dazu.

Tatsächlich detoniert so einiges in der Nacht, die nach dem Willen der Sektierer mehr als das Jahrtausend beschließen soll. Die Jagd nach den versteckten Bomben und der geheimen Kommandozentrale der gut gerüsteten Eiferer sorgt für die nötige Spannung. Doch obliegt die Weltenrettung nicht überlebensgroßen Wundertätern, sondern gewöhnlichen Werktätigen, die mit einer in der Gattung TV-Movie seltenen Sorgfalt und Zuneigung erdacht und inszeniert wurden.

Derweil nun die Uhr mählich abläuft, werden unaufdringlich, gleichsam unter der Hand, zentrale religiöse Fragen angesprochen.

Das wirkt – Helens überzeichnete Erleuchtung gegen Ende ausgenommen – keineswegs aufgesetzt, sondern ernsthaft und plausibel aus Charakteren und Geschichte entwickelt. Weshalb die Religionslehrer im Publikum vielleicht den Videorekorder anwerfen sollten – anhand dieses Films lässt sich manche Glaubensfrage am praktischen Beispiel erörtern. Die Schüler würde es wohl freuen.

Harald Keller