Aufsichtsrat vor dem K.o.

Bei der heutigen Hauptversammlung des Baukonzerns Holzmann fordern Aktionäre, Aufsichtsratschef und Banker Boehm-Bezing abzuwickeln ■ Von Beate Willms

“Kanzler Schröders bejubeltes Sanierungskonzept wackelt. Denn noch ist keiner vier Eckpunkte wirklich gesichert.“

Berlin (taz) – Knapp einen Monat ist es her, dass sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als strahlender Retter des taumelnden Baukonzerns Philipp Holzmann präsentieren konnte. Und bislang ist er der einzige geblieben, der von dem Kraftakt profitiert hat, die Gläubigerbanken nach bereits beantragter Insolvenz noch einmal umzustimmen und für einen neuen Anlauf zu gewinnen. Denn während der Fall Holzmann Schröder tatsächlich saniert zu haben scheint, ist das Weiterleben des Unternehmens vor der heutigen außerordentlichen Hauptversammlung in Frankfurt am Main keineswegs gesichert.

Das damals so bejubelte Sanierungskonzept wackelt: Noch ist keiner der vier Eckpunkte gesichert. Die von Schröder versprochenen Bundesbeihilfen von insgesamt 250 Millionen Mark müssen erst noch von der EU-Kommission in Brüssel genehmigt werden. Entscheiden die Wettbewerbshüter im Januar anders, wollen die Banken ihren 2,5-Milliarden-Beitrag ebenfalls platzen lassen. Auch die 245 Millionen Mark, die die Belegschaft bezahlen soll, sind noch nicht sicher – bislang gibt es noch keine tarifvertragsgerechte Absprache.

Eine andere Entscheidung aber wird auf der Hauptversammlung fallen müssen. Die Entscheidung, ob sich die Aktionäre am Sanierungskonzept beteiligen und Kapitalmaßnahmen beschließen, die bis zu 1,265 Milliarden Mark fresh money einbringen sollen. Ob sie das tatsächlich tun, wird wesentlich von der Überzeugungsfähigkeit des neuen Vorstandsvorsitzenden Konrad Hinrichs und vor allem des Aufsichtsratsvorsitzenden Carl von Boehm-Bezing abhängen – der jedoch selbst schwer in der Kritik steht.

Konkret soll das Grundkapital zunächst von 148,4 Millionen Euro auf 5,7 Millionen Euro herabgesetzt werden – das ist wenig bemerkenswert, weil es lediglich einer Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse entspricht. Gleichzeitig jedoch will der Vorstand eine Kapitalerhöhung durch neue Einlagen auf 13,3 Millionen Euro beschließen lassen. Dazu ist mindestens eine Dreiviertelmehrheit des durch die Hauptversammlungsteilnehmer vertretenen Kapitals notwendig. Die bisherigen Aktionäre hätten dann das Recht, pro drei alte Aktien vier neue zu kaufen und so ihre prozentuale Beteiligung zu halten. Der Ausgabepreis für die 7,6 Millionen neuen Stückaktien beträgt 85 Euro, die alten notieren derzeit um die 35 Euro.

Allerdings hat Großaktionär Gevaert, dem derzeit 30,4 Prozent der Anteile an Holzmann gehören, schon im Vorfeld zu erkennen gegeben, dass er keine weiteren Aktien kaufen und so seinen Anteil auf unter 15 Prozent absenken will. Das könnte auch für die anderen nicht-institutionellen Anleger ein Signal sein, sich zurückzuhalten.

Dass der Aufsichtsrat damit bereits gerechnet hat, zeigt die Tatsache, dass das Sanierungskonzept eine Klausel enthält, nach der die Banken, die die Sanierung begleiten, die vollständige Ausgabe der Aktien garantieren. Sie müssten die nicht verkauften Anteile also schlimmstenfalls selbst kaufen. Allein die Deutsche Bank, die 15 Prozent hält, könnte sich so am Ende mit einem 30-Prozent-Klotz am Bein wiederfinden. Insgesamt könnten die Banken auf 60 Prozent kommen. Das widerspricht dem derzeitigen Trend auf dem Finanzmarkt, sich von Unternehmensbeteiligungen (und erst recht von unrentablen) zu trennen und auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Ein rasches Abstoßen des Holzmann-Konzerns an den erstbesten in- oder ausländischen Investor wäre also absehbar – zumal Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gerade erst angekündigt hat, den Verkauf von Beteiligungen künftig steuerfrei zu stellen.

Fraglich ist jedoch, ob es auf der Hauptversammlung überhaupt zu der erforderlichen Mehrheit für die Kapitalmaßnahmen kommt: Ein Veto Gevaerts, das gar nicht so unwahrscheinlich ist, könnte alles blockieren. Der belgische Konzern hat seine Beteiligung erst im Dezember letzten Jahres für knapp 400 Millionen Mark erworben – unter anderem von der Deutschen Bank und auf das Wort von Holzmann-Aufsichtsratschef und Deutsche-Bank-Vorstandsmitglied Boehm-Bezing hin, das Unternehmen werde umgehend saniert. Gevaert-Chef André Leysen ist nicht der einzige, der den Aufsichtsratschef im Visier hat. Auch die Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) haben kritische Nachfragen angekündigt. Sie werfen Vorstand und Aufsichtsrat vor, die „Aufdeckung von Missmanagement und Verlusten systematisch verzögert“ zu haben. „Wir werden ein weiteres Sonderprüfungsgutachten über die Geschäftsbeziehungen der Deutschen Bank und Holzmann beantragen“, sagt DSW-Sprecher Klaus Nieding. Die DSW fordert den Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden. Abgewählt werden kann er von der Hauptversammlung nicht, weil der Punkt nicht rechtzeitig für die Tagesordnung beantragt wurde und so auf den Einladungen fehlt.

Beobachter sind sich darin einig, dass Boehm-Bezing neben dem später von ihm gechassten Vorstandsvorsitzenden Heinrich Binder am exaktesten über die Situation des Unternehmens informiert gewesen sein muss – spätestens seit dem Frühjahr, als er den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG über die „Funktionsfähigkeit der internen Kontrollsysteme“ abnickte. In dem Bericht kamen die Prüfer zwar oberflächlich zu dem Schluss, der Vorstand habe die „allgemeinen Anforderungen“ an die Kontrollen „grundsätzlich beachtet“. Sie listen aber auch eine ganze Reihe von Fehlern und Versäumnissen auf, die das Urteil weitgehend in Frage stellen. Boehm-Bezings Kommentar damals: „Die Sanierung ist nun abgeschlossen.“

Ein weiteres Gutachten, über das das Handelsblatt kurz vor Weihnachten berichtete, könnte den Aufsichtsratschef sogar noch weiter belasten. Die Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz hatte eigentlich die Versäumnisse früherer Firmenmanager aufdecken sollen. Die tatsächlichen Pleiten und Pannen, die sie in ihrem Bericht aufführen konnten, reichten laut der Zeitung aber bei weitem nicht aus, um die zusätzlichen Verluste von mindestens 2,4 Milliarden Mark zu erklären, die den Konzern beinahe in den Ruin getrieben haben.

Der Schluss liegt nahe, dass die roten Zahlen womöglich gar nicht hauptsächlich aus Altlasten resultieren, für die ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte zur Verantwortung zu ziehen wären. Das Handelsblatt zitierte denn auch aus einem – unbestätigten – Brief der KPMG-Prüfer an Carl von Boehm-Bezing, in den Verlusten müssten „in ganz erheblichem Umfang auch operative Verluste des Jahres 1999 sowie Restrukturierungsaufwendungen für die jetzt anstehende Sanierung enthalten“ sein.