Staatsanwalt jagt Helmut Kohl

■ Gegen den Altbundeskanzler wird in der CDU-Spendenaffäre wegen Untreue ermittelt. Er selbst bedauert dies, die Stellungnahmen seiner Partei bleiben dürr. Sie hat bereits Geld für Nachzahlungen zurückgelegt

Berlin (taz) – Das 20. Jahrhundert endet für Helmut Kohl ungünstig. Ab Freitag, dem 31. Dezember 1999, kann die Staatsanwaltschaft Bonn offiziell ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen den Ehrenvorsitzenden der CDU durchführen. Auch Kohls Fraktion im Bundestag plant offenbar nicht, über den Immunitätsausschuss den Ermittlungsbeginn zu verzögern. Die Bonner Staatsanwaltschaft hatte gestern um 10:06 Uhr Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) mitgeteilt, es liege gegen Kohl „der Anfangsverdacht einer Untreue zum Nachteil der CDU-Bundespartei“ vor. Nach Ablauf der Einspruchsfrist von 48 Stunden werde daher das Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Für die in verschiedenen Strafanzeigen erhobenen Vorwürfe des Betruges, der Geldwäsche und des Meineids haben sich keine Anhaltspunkte ergeben“, heißt es aus Bonn.

Untreue wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet. In besonders schweren Fällen können sogar zehn Jahre Haft verhängt werden.

Die Statements von CDU-Seite zu dem seit Tagen erwarteten Schritt der Staatsanwaltschaft fielen dürr aus. Kohl selbst ließ mitteilen, er bedauere die Entscheidung für ein Ermittlungsverfahren, wolle es aber „mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten“ unterstützen. CDU-Chef Wolfgang Schäuble erklärte, er erwarte, dass die Ermittlungen rasch und zügig abgeschlossen würden. Er gehe davon aus, dass sich keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Kohl ergäben. Der Obmann der Union im Untersuchungsausschuss mahnte, die Fairness gebiete, „dass die öffentliche Debatte nicht zu einer Vorverurteilung von Dr. Helmut Kohl führt“.

Der Altkanzler hatte vor zwei Wochen in einem Interview eingeräumt, nach 1992 bis zu zwei Millionen Mark Spenden erhalten und nicht in den Rechenschaftsberichten der Partei ausgewiesen zu haben. Bis heute weigert er sich unter Hinweis auf sein gegebenes Ehrenwort, die Namen der Spender zu nennen.

CDU-Generalsekretärin Angela Merkel hat diese Haltung gestern in der Bild-Zeitung indirekt kritisiert. „Wenn Helmut Kohl die Spender nennen würde oder die Spender ihn selbst von seinem Ehrenwort entbinden, hätten wir die Lösung des Problems“, sagte sie. Merkel ist wegen ihres Kohl-kritischen Kurses in der Partei umstritten. Für sie enthielt die gestrige Erklärung der Bonner Staatsanwälte eine hilfreiche Passage. Als Grundlage des Ermittlungsverfahrens werden dort die Berichte der Medien genannt, „vor allem aber auch die darin veröffentlichten Erklärungen“ Helmut Kohls. Merkel hatte sich zuvor in der Bild gegen den Vorwurf gewehrt, sie habe mit öffentlichen Äußerungen zur Einleitung der Ermittlungen beigetragen.

Die Generalsekretärin hatte vergangene Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben, Kohl habe der CDU „Schaden zugefügt“. Die Partei hat unterdessen bestätigt, dass sie mehrere Millionen Mark an Rückstellungen für mögliche Nachzahlungen gebildet hat.Patrik Schwarz

Schwerpunkt Seite 2