Schön, wenn man verwöhnt wird

Noura (10) ist eine moderne, junge Frau. Das neue Berlin gefällt ihr, sie geht oft und gern zum Potsdamer Platz. In den mondänen Cafés fühlt sie sich wohl. Die Wolkenkratzer mit ihren kalten Glasfassaden bedrücken sie keinesfalls, selbstsicher flaniert sie durch die Häuserschluchten.

Und genauso selbstsicher verkündet sie ihre beruflichen Pläne. Noura möchte Ärztin werden. „Weil ich da anderen helfen kann und weil man da gut verdient.“ Auf eine bestimmte Fachrichtung will sie sich nicht festlegen: „Ich will Professorin werden, eben richtige Ärztin im Krankenhaus, für alles.“ Das geht aber nicht alles auf einmal, sage ich. „Doch!“, sagt sie. Widerspruch zwecklos. Noura weiß, was sie will, und lässt sich nicht davon abbringen. Nur dass man fast acht Jahre studieren muss, um Ärztin zu werden, macht sie kurz stutzig: „Oh.“

Doch bisher ist ihr das Lernen nicht schwer gefallen – im letzten Zeugnis hatte sie zehn Einser und eine Zwei. „Aber eine Streberin bin ich nicht!“ Darauf legt sie Wert. „In Mathe musste ich schon mehrmals vor die Tür, weil ich so viel geplappert habe, und einmal habe ich sogar der Lehrerin den Finger gezeigt.“

Im Moment sind ihre Finger blau lackiert. Das gehört zur Kostümierung für eine Modenschau, bei der sie auftritt. Sie steckt mitten in den Proben, und die sind ihr wichtiger als Hausaufgaben. Eine brave Stubenhockerin ist Noura auch sonst nicht – ihre Lieblingsfächer sind „Sport, Musik und Hofpausen“.

Nachmittags geht sie am liebsten Reiten oder sie spielt mit den Jungs aus ihrer Klasse Fußball. Wie viele junge Frauen von heute interessiert sie sich auch für die Bundesliga. Noura ist Hertha-Fan. So oft wie möglich sitzt sie am Sonnabend vorm Fernseher und guckt mit ihrem Vater „ran“. Leider ist das nicht immer möglich, weil ihre Eltern geschieden sind. Noura wohnt in Charlottenburg bei ihrer Mutter, der taz-Reise-Redakteurin Edith Kresta, und teilt sich ein Zimmer mit Kanarienvogel Calypso.

Die Trennung vom Vater tut weh, aber Geschwister möchte sie nicht: „Ich find’s gut, dass ich ein Einzelkind bin, weil ich dann mehr verwöhnt werde.“ Besonders verwöhnt wird Noura in Tunesien, wenn sie die Familie ihres Vaters besucht. Die Menschen dort seien überhaupt „viel netter“. Egal ob sie einen kennen oder nicht, „die schenken einem ganz viel“. Noura versteht ein bisschen Arabisch, Französisch kann sie fließend. In Tunesien genießt sie, „dass es warm ist“ und dass man im Meer baden kann. Einmal dorthin ziehen möchte sie aber nicht. Auf die Dauer wäre es ihr zu langweilig: „Hier ist irgendwie mehr los.“ L.W.