Voreiliger Feuerzauber

Heute ist es wieder so weit: Pünktlich um Mitternacht erheben sich Myriaden von Feuerwerkskörpern in den Nachthimmel, um zehntausendfach zu zerplatzen. Ein Getöse, das für aufrechte IndividualistInnen wie der Soundtrack klingt, zu dem das gesamte Zeitverständnis der Menschheit auf einmal explodiert. Pünktlich denkt sich mancher, pünktlich ist anders.

Das Unglück begann schon vor Jahrhunderten. Papst Gregor XIII. war der erste große Zeitdieb des christlichen Abendlandes. Um seinen Kalender durchzusetzen, klaute er 1582 der Bevölkerung die zehn Tage zwischen dem 4. und dem 15. Oktober. Und keine 311 Jahre später, am 1. April 1893, wurde in Deutschland die Mitteleuropäische Zeit eingeführt. Vorher konnte man, ausgehend vom zähneknirschend akzeptierten Nullmeridian zu Greenwich, für seinen Aufenthaltsort eine genaue Ortszeit bestimmen. Nun sollte absurderweise in Städten wie Köln oder Berlin die gleiche Zeit herrschen wie in Hamburg. Oder gar in Bergedorf dieselbe wie in Altona.

Das machen wir heute nacht nicht mit: Wir feiern Silvester zur Ortszeit. Denn zwischen dem östlichsten Punkt Hamburgs in Bergedorf und dem westlichsten in Rissen besteht nach der einfachsten Berechnung ein Ortszeitunterschied von etwa 142 Sekunden. Wenn wir uns nach der Weltzeit zu Greenwich orientieren, können wir sogar die sogenannte Mitteleuropäische Zeit benutzen, um wirklich pünktlich unsere Raketen zu starten. Und das heißt, rund 20 Minuten nach dem voreiligen Feuerzauber über der Binnen-Alster.

Es gelten folgende Zeiten: Bergedorf, Neue Werder: 0.18 Uhr, 42 Sekunden; Bergedorf, Sternwarte: 0.19 Uhr, 2 Sekunden; Michel: 0.20 Uhr, 5 Sekunden; Rissen: 0.21 Uhr, 4 Sekunden – die genannten Werte lassen sich in Ost-West-Richtung interpolieren. Wer jetzt noch ein Fahrzeug zur Verfügung hat, das ungefähr 988 Stundenkilometer schnell ist, kann Hamburg überfliegen und permanent Silvester feiern. Sogar noch über Neuwerk und Scharhörn.

else /Foto: wap