Flüssiges Gold in Bremen

■ In Bremens Schatzkammer lagert über hundertjähriger Wein. Die Kellerei unter dem Domshof hat Weltruf: Nur die edelsten roten und weißen Tropfen werden hier gelagert

Bremens Gold ist vor allem eines: flüssig. Wahlweise rot oder weiß. Aber immer mit Weltruf. Dafür sorgt Karl-Josef Krötz. Ratskellermeister mit Schlüsselgewalt über Bremens einzige „Schatzkammer“. Weine mit Rang und Namen sind hier eingeschlossen in langen hohen, steinernen Regalen im Gewölbekeller, sechs Meter unter dem Domshof.

Bremen ist mehr als nur Becksbierland. Denn der beste Weinkeller der Republik ist der in der Hansestadt. „Je weiter man von Bremen weg ist, desto besser ist der Ruf des Weinkellers“, meint Krötz. Selbst Hong-Kong- Chinesen lassen mittlerweile ihre edlen Tropfen hier ruhen. Denn die Schatzkammer im Ratskeller, ein gutes halbes Jahrtausend alt, bietet optimale Lagerbedingungen für die besten aller besten Weine.

Krötz ist der Herrscher über die Weine der Stadt. Er stammt aus einer Winzerfamilie, ist Diplom-Önonom. Er testet Weine und Weingläser für Kennerblätter. Seit 1989 ist er Ratskellermeister in Bremen, der 19. in der Traditionsfolge seit 1627. Weine, die der 42-Jährige auf seine Weinliste setzt, kommen regelmäßig in die Top-Rankings der deutschen Winzer. Krötz spricht mit weintauglichem Dialekt von der Mosel. Denn wenn es um Wein geht, „nehmen die Leute im Norden einem das eher ab, wenn man aus Süddeutschland kommt.“

Jetzt führt Krötz durch das Labyrinth unterm Rathaus zur Schatzkammer. Das Reich des Bacchus ist groß: gut zwei Kilometer Schlängel-Wege durch Ratskeller und Lagerräume. Kühle Luft weht. Abschüssige Rampen führen immer tiefer zu den edelsten, ältesten und seltensten deutschen Weinen.

Dann das Vorzimmer der Schatzkammer: eine große Halle voller Fässer. Dutzende, riesige, bauchige Holzfässer im Schummerlicht. Museumsstücke allesamt. Denn seit es die Selbstabfüllung nicht mehr gibt, haben die Fässer ausgedient. „Die stehen quasi unter Denkmalschutz“, meint Krötz, der sie in Stoßzeiten lieber weg haben wollte. Jetzt stehen die Reihen dazwischen vollgestopft mit Weinkisten.

Ganz hinten im Raum sind Gitterstäbe. Hier wird es kostbar. Eine Front aus Eisen trennt den guten Wein von den Spitzentropfen. Die Stäbe so eng, dass keine Flasche durchpasst. Für drei Millionen Mark sind die Raritäten versichert. Rund 8.000 Flaschen liegen in den hohen schmalen Steinregalen – jede kostet vierstellige Summen. Die Preise sind geschätzt. Meist Auktionswerte: Die teuerte Flasche (Trockenbeeren-Auslese aus dem Rheingau von 1911) ist 15.000 Mark wert.

Jahrelang soll der Edelrebensaft hier schlummern. Besser noch Jahrzehntelang. Für den Dornröschenschlaf wurden Idealbedingungen geschaffen: poröser Stein für die Regalkammern, damit die Luft gut zirkulieren kann. Cellophan-Hüllen für die Flaschen, damit das Ettikett nicht zerkratzt. Alles ist so austariert, dass die Flaschen exakt wagerecht gebettet sind, damit sich kein Luftbläschen vor den Korken setzt.

Am Regal stehen die Jahreszahlen. Aus den vergangenen 500 JAhren sind fast alle Jahrgänge vertreten. Der älteste Tropfen ist von 1721. Manchmal schlummert hier nur eine Flasche im Fach, manchmal gleich zehn. Ebbe herrscht vor allem bei den Kriegsjahrgängen, meint Krötz. Da schmerzt es den Kellermeister schon mal, wenn so ein Tropfen verkauft oder verschenkt wird. Denn: „So etwas gibt es nie wieder nach.“

Trotzdem: Nur wenige Flaschen verlassen das Schatzverlies. Denn so ein Senatsgeschenk aus der Schatzkammer hat Seltenheitswert. Der letzte, der offiziell ein Flaschenpräsent erhielt, war Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. „Das war Ende der 80er“, sagt Kroetz. Seitdem gab es höchstens Ausnahmen. Teure Ausnahmen. Ein Hannoveraner wollte zum Beispiel seiner Frau zum 40. Geburtstag einen 59er Jahrgang schenken. 5.000 Mark kostete ihn der Schatz aus Bremen.

Die Hansestadt hat gut vorgesorgt: Noch ist genug Platz in den Regalen – für 18.000 Flaschen. Und so nach und nach füllt Krötz die leeren Regale ganz hinten auf – „mit dem Besten was gewachsen ist“. Diese Weine werden über Jahre nicht angerührt. Langsam, langsam sollen sie vor sich hinreifen. Optimale Temperaturen, optimale Lagerung. Alles andere wäre „Kindermord“, sagt Krötz.

Der Bremer Ratskellermeister hat ausschließlich deutsche Weine im Keller. In den 80ern nämlich hat die Bürgerschaft ein Ausschließlichkeitsgebot erlassen, das ausländische Importe verbietet. Seitdem zeigt Krötz die Alternative zu „ausländischen Modeweinen“. „Mehr kann ich nicht machen“, meint Krötz, „wem das nicht schmeckt, der muss ein Biertrinker sein.“

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