Auch Überflieger sind Menschen und keine Computer

Nach dem elften Platz in Garmisch-Partenkirchen ist Martin Schmitt vor dem heutigen dritten Springen der Vierschanzentournee in Innsbruck plötzlich nicht mehr der Superfavorit

Berlin (taz/dpa) – Normalerweise hat Martin Schmitt für alles die richtige Antwort. „Es macht Spaß, im Interesse der Öffentlichkeit zu stehen“, spricht der stets gut gelaunte Winterliebling der Nation brav in die Mikros. „Es ist gut für den Sport“, vergisst er nicht, seine Disziplin, das Skispringen, gebührend ins rechte Licht zu rücken. Aber „der Wettkampf hat Priorität“, lässt der 21-Jährige erkennen, dass er mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen steht, wenn er nicht gerade durch die Luft fliegt. Denn: „Wenn ich keine Leistung bringe, wird das Interesse der Fans auch schnell nachlassen.“

Ähnlich solide Antworten hat Schmitt meist auch auf dem Schanzentisch parat, wenn ihm die Konkurrenz an die Adlerfedern will. Ausgerechnet beim Neujahrsspringen gingen ihm die Repliken jedoch aus und nun muss er heute, beim dritten Springen der Vierschanzentournee in Innsbruck, schon eine grandiose Leistung hinlegen, um die Chancen auf den ersehnten Gesamtsieg zu wahren. Nach dem beeindruckenden Erfolg in Oberstdorf sprang beim zweiten Springen lediglich Platz elf heraus, und das auf der Schanze in Garmisch-Partenkirchen, die ihm eigentlich sehr gut liegt.

So überraschend kam der kleine Einbruch auch für den erstmals übertragenden Sender RTL („Adler sollen fliegen“), dass dessen Kommentator noch begeistert die „großartigen“ Sprünge von Schmitt feierte, während dessen wütende Gestik im Auslauf das genaue Gegenteil signalisierte. Immerhin 7,88 Millionen sahen das restlos verquasselte Schanzendebüt des Rase-Senders, der das Skispringen gern zur „Formel 1 des Winters“ machen möchte. Der Tournee-Rekord des ZDF aus dem Vorjahr (8,43 Millionen) wurde indes glatt verpasst.

Die Beute sei derzeit „etwas entwischt“, musste Martin Schmitt zugeben, nachdem Neujahrssieger Andreas Widhölzl aus Österreich mit 469,2 Punkten nicht nur vor Schmitt (461,4) und Andreas Goldberger (459,1) die Führung in der Gesamtwertung übernahm, sondern bei den letzten beiden Springen auch noch Heimvorteil hat. Und dies auf jenen Schanzen in Innsbruck und Bischofshofen, die dem deutschen Überadler im vergangenen Jahr den Tourneesieg kosteten.

„Ich bin nun mal ein Mensch und kein Computer“, stellte Martin Schmitt ungewohnt brummig fest und rätselte gemeinsam mit Bundestrainer Reinhard Heß darüber, was eigentlich schief gelaufen war. „Beim Videostudium habe ich nichts gesehen, wo Martin die entscheidenden Meter verloren hat“, musste Heß zugeben, der Springer selbst vermutete, dass ihn „drei, vier Schläge und ein Knick in der Anlaufspur“ kurz vor dem Absprung irritiert hätten.

Erstmals räumte er auch ein, dass ihn der öffentliche Druck wohl doch mehr belastet als zugegeben. „Nach meinem Sieg in Oberstdorf haben viele gesagt: Der gewinnt ja doch alle vier Springen und die Tournee“, übte er leise Kritik am Medien-Hype, und Bundestrainer Heß gab gleich mal dem neuen Skisprungsender einen kleinen Seitenhieb mit: „Wir sind nicht in der Formel 1, wo ein gutes Auto fast alles entscheidet.“

So gesehen stellt der elfte Platz von Garmisch möglicherweise sogar eine Erleichterung für den deutschen „Sportler des Jahres 1999“ dar. Von der absoluten Favoritenbürde befreit, kann er heute und am Donnerstag in Bischofshofen etwas unbeschwerter den Angriff auf Widhölzl wagen. „Knappe acht Punkte sind in der Tourneewertung ja nicht so viel“, macht sich der Schwarzwälder Mut und verspricht: „Ich werde den Kopf nicht in den Sand stecken.“ Das immerhin ist eine gute Nachricht. Matti