Miese Geldgeschäfte

betr.: Spendenaffäre Helmut Kohls

Wir sind Juden und 1925 in Berlin geboren. Bis zu unserer Deportation im Jahre 1943 mussten wir fast jeden Tag von Hitler oder Goebbels hören oder lesen, dass Juden Betrüger, Diebe und ein hinterlistiges Volk seien, die Deutschland ins Unglück stürzen und deshalb vernichtet werden müssten. Das deutsche Volk schien dies zu glauben: Wir wurden beschimpft, aus Schulen und Wohnungen hinausgeworfen. Alle unsere jüdischen Verwandten und Freunde sind umgekommen. Wie erstaunt waren wir nun, dass Herr Kohl in nicht besonders ehrliche Machenschaften verwickelt sein soll. Wir denken: Es handelt sich um miese Geldgeschäfte, wie man sie früher gern Juden angelastet hätte.

Wir mussten als Vierzehnjährige Zwangsarbeit bei Siemens leisten und haben bis heute noch keine angemessene Bezahlung dafür erhalten. Für unsere Tochter, die 1948 geboren wurde, hätten wir eine Aufbesserung unserer Pensionsansprüche erhalten müssen. Diese wurde jedoch abgelehnt, weil wir „freiwillig ausgewandert“ seien. Hätten wir annehmen sollen, dass man uns nach Kriegsende anständiger behandeln würde, weil der Krieg verloren wurde? Wir sind der Meinung, dass wir für unsere Zwangs- und Sklavenarbeit in Theresienstadt und Auschwitz angemessen bezahlt werden müssen. Davon sind wir um so mehr überzeugt, nachdem wir gelesen haben, dass Regierungsangestellte für ihren Umzug von Bonn nach Berlin DM 50.000 erhalten. Ursula und Gerd Maschkowski, Los Angeles

Ich wundere mich ein wenig darüber, dass ich im Zusammenhang mit der Kohl-Affäre in der taz noch keine Erwähnung des Begriffs der „Ganovenehre“ gefunden habe. Die Beantwortung der Frage, inwieweit die Ehre der an der genannten Affäre Beteiligten von dieser Art ist, kann letztlich dem Urteilsvermögen der LeserInnen überlassen bleiben.

Aber erinnert werden könnte aus dem gegebenen Anlass doch einmal an diesen Begriff. Und welche andere Zeitung wäre dazu besser prädestiniert als die taz, die schreibt, was andere nicht schreiben?!

Man braucht ja nicht gleich alle Politiker für Ganoven zu halten. Andererseits wird aber sicher niemand ernsthaft behaupten wollen, dass die Schnittmenge aus den Politikern und den Ganoven die leere Menge sei.

Daher könnte die Frage zur Diskussion gestellt werden, ob der derzeitige Ehrenvorsitzende der CDU ein Element der eben erwähnten Schnittmenge ist und den Titel „ehrenwerter Polit-Ganove“ oder einen anderen Titel von ähnlicher Art verdient.

Rudolf Schlonsok, Karlsruhe

[...] Mit dieser Affäre, und nicht nur dieser, erleidet unser Bild von der Politikerkaste als solcher und nicht allein dasjenige des Ex-Kanzlers eine erneute Bestätigung, und das finde ich nun wirklich bedauerlich. Um Schlimmeres für Volk und Vaterland durch gepresste Aussagen vermittels Beugehaft abzuwenden, plädiere ich hiermit für nachhaltiges Schweigen in stressfreier Atmosphäre. Was könnten wir unserem Ex-Bundeskanzler Besseres antun, als ihm die Möglichkeit zum Aufsuchen eines Exillandes nach Wahl einzuräumen? Es gibt gute Vorbilder: Erich Honecker, samt Gattin, ebenfalls im Zusammenhang mit einer Parteiaffäre. Während hier Schmuddelwetter herrscht, meldet Santiago de Chile schönstes Sommerwetter.

Oder denken wir an Imperator Wilhelm II., der dito ins Exil ging, nach Doorn in Holland, als Folgerung aus einer Weltkriegsaffäre. Dort wartet ein schlossartiger attraktiver Herrensitz. Es ist beste deutsche politische Tradition, nach gehabter Affäre ein Exilland aufzusuchen. Warum nicht auch Kohl? Hans-Ulrich Nolte, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.