Der Kanzler und die Gebühren

Hauptschüler Gerhard Schröder lehnt es ab, dass Schule und Uni Geld kosten – im Prinzip. Denn ein Türchen lässt er sich immer offen

Berlin (taz) – Es war einmal ein Schüler aus armem Hause. Der Vater war häufig im Krankenhaus. Die Mutter alles andere als wohlbetucht. Er besuchte den klassenübergreifenden Unterricht. „Am Anfang war die 1.–4. Klasse [und die] 5.–8. in Wilferbexten“, erinnert er sich ganz genau, „Das war so, zweizügig.“

Kein Wechsel aufs Gymnasium, auf den Schulweg, der Karriere möglich macht? „Na ja“, auch diese Situation ist präsent, „das war bei uns nicht drin. Gleich am Anfang, wo das hätte passieren müssen, da kostete es noch Schulgeld. [. . .] Obwohl meine Noten so schlecht nicht waren.“

Der Hauptschüler, dessen Weg dann doch nach, politisch gesehen, ganz oben führte, war Gerhard Schröder. Heute ist er Kanzler. Und Ulrich Wickert wollte in einem Phoenix-Interview von ihm wissen, was auf der Hand liegt: „Fanden Sie das ungerecht?“

Aber diese Frage, so richtig sie sein mag, ist inzwischen für jenen Mann ein bisschen zu platt, dessen „vorbestimmter Weg“ eigentlich zur Post führen sollte, nun aber, vorläufig, im Kanzleramt endete. „Ich hab nicht drüber nachgedacht, muss ich ehrlich sagen“, schwindelt der Kanzler. Schröder kann jetzt nicht ehrlich sein, denn sonst würde er sich womöglich politisch festlegen, wie er über die bezahlte Bildung denkt. Und dazu ist er zu eloquent. Das passiert keinem, der schon früh lernte, die mütterlichen Kaufwünsche wieder zu stornieren.

„Mutter war empfänglich für alle möglichen Warenangebote, auch die, die sie nicht bezahlen konnte. [. . .] dann hat sie [. . .] Verträge gemacht. Und ich hab mich dann relativ früh um die Auflösung derselben zu kümmern gehabt.“ Der Rückzug vom Kaufvertrag als Urerfahrung. Wer wollte so jemanden festlegen? Der Kanzler hat alle Varianten offen gelassen, ob und wie es Studiengebühren in Deutschland geben wird:

Er ist grundsätzlicher Gegner (Juso-Variante): Denn Bildung sei auch hierzulande noch ein Privileg, „denke ich schon“. Nicht so arg wie in England oder Amerika. „Aber bei den Mädchen hapert’s noch. Da muss noch kräftig nachgearbeitet werden, denn diese Ungleichheit zwischen Jungen und Mädchen ist eine [. . .] wirklich schreiende Ungerechtigkeit.“

Er ist ebenso Befürworter sozial gestaffelter Gebühren (Variante FDP): „Wenn es ohne Aufwand gelänge, großzügigere Einkommensgrenzen einzuführen und zu sagen, also z. B. meine Tochter, kann was dafür [fürs Studium – d. Red.] bezahlen, dann habe ich da prinzipiell keine Einwände.“

Und die Schröder-Variante: Frage Wickert: „Also Sie sind überhaupt gegen Studiengebühren oder kleine, wenn möglich? Schröder: „Nein, ich finde den Ansatz, das, so weit es geht, frei zu lassen von Gebühren, für richtig. [. . .] Ob man da zu einem Verbot kommen muss, das wage ich zu bezweifeln.“ Christian Füller