Klischees zum Selbermachen

■ Ein RTL-Computerspiel sorgt nun auch für nicht lineare Seifenopern-Unterhaltung

Jeder kennt sie aus der Bravo – die gute alte Foto-Lovestory. Fortsetzungsgeschichten um Lieben und Intrigen halten sich in der Münchner Jugendzeitschrift seit Jahrzehnten. Laiendarsteller, die in den Bildergeschichten auftauchen, werden durch weibliche Fans zu hausgemachten Stars.

„Das können wir auch“, dachte sich wohl die Merchandising-Abteilung des „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Senders RTL und brachte eine CD-ROM auf den Markt der Computerspiele: „Soapy Pictures“ – eine Fotogeschichte zum Selbermachen.

„Man wird in die „Glitzer-Glamour-Welt einer echten Soap-Opera entführt“, verspricht der dazugehörige RTL-Pressetext. Doch einmal installiert, ernüchtert die CD-ROM mit einer Fotodatenbank, bestehend aus 2.000 vorgefertigten Fotos: Acht bislang unbekannte, dafür aber keim- und pickelfreie Darsteller-Beaus warten in der Datenbank auf den eingeschränkten Einfallsreichtum der Zielgruppe – und lassen schon in der Auswahl der Charaktere (der Sportive, der Markante, die Blonde,die Ausgeflippte, der Du-mit dir-kann-man-reden-Kumpel ...) kein Klischee aus.

Egon Friebus, Produktmanager bei RTL und zuständig für die Computerspiele des Hauses, sieht das natürlich ganz anders: „Die Darsteller sind No-Names, weil die Schauspieler unserer Serien bereits mit einem speziellen Image besetzt sind. Handelt es sich um unbekannte Gesichter, so kann man ihnen sämtliche Rollen auf den Leib schreiben.“

Dazu wurden die Nachwuchsdarsteller in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen – im Fitness-Studio, auf dem Volksfest oder im Café – abgelichtet. Stets in eindeutigen Situationen, so dass sich schnell eine Geschichte zu den Fotos erfinden lässt. Immerhin bleiben Fotoauswahl und die Reihenfolge der Strips den Spielern selbst überlassen, die mit ausgewählten Layoutwerkzeugen Sprech- und Denkblasen in die Fotos einfügen und mit ausgedachten Texten füttern können.

In die teure Basissoftware hat RTL bereits investiert, so dass bei Erfolg dieser CD-ROM schnell beliebig viele Themen nachgeschoben werden können – und sollen. „Ich glaube, ich bin schwul!“ „Mein erster Urlaub! oder „Hilfe, ich nehme Drogen!“ könnte sich Egon Friebus schon jetzt als Fortsetzungen vorstellen.

Anfang 1999 ist bei RTL der Startschuss zu den Multimediaproduktionen gefallen. Das Adventure-Spiel zur Fernsehserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ verkaufte sich bisher sehr erfolgreich, „Soapy Pictures“ hingegen eher schleppend. Aber die Entwickler geben sich ohnehin schon mit 50.000 verkauften „Soapy Pictures“ bis Mitte des Jahres zufrieden.

Dennoch soll eine große Werbekampagne auf den Haussendern RTL, RTL 2 und SuperRTL dieser Tage den Bedarf bei den Käufern wecken. Laut Umfragen sehen Sendungen wie „Bravo TV“ „Top of the Pops“ oder „Melrose Place“ hauptsächlich Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. Und genau die sind auch die Zielgruppe von „Soapy Pictures“. In Computer-Geschäften liegt das Spiel, daher auch rosa-gelb mit Herzchen verpackt, zwischen der Barbie CD-ROM und dem „GZSZ“-Adventure.

Weibliche Teenies bevorzugen nach Ansicht von Egon Friebus die „nicht lineare Unterhaltung“. Sie wollen an den Inhalten mitwirken, so wie sie jede Woche wäschekörbeweise Briefe mit Drehbuchvorschlägen für die Fortsetzung der RTL-TV-Seifenopern schreiben. „Die Zuschauer wollen interaktiv mitwirken“, weiß denn auch Friebus – selbst, wenn den Soap-Redaktionen mit den „Soapy Pictures“ nun vielleicht der ein oder andere Vorschlag erspart bleiben dürfte. Rebecca Roloff