Gesucht: Eine neue Grenze

Bei den israelisch-syrischen Gesprächen wird es die größten Probleme beim Grenzverlauf und der Wasserfrage geben

Jerusalem (taz) – „Die Syrer machen Krieg, wenn die Juden hungern (Jom Kippur), und Frieden, wenn die Muslime hungern (Ramadan)“, witzelt ein israelischer Journalist. Immerhin begann die erste Runde syrisch-israelischer Friedensgespräche im amerikanischen Shepherdstown gestern Abend mit einem gemeinsamen Mahl der Delegationen. Heute früh müssen die Syrer wieder mit leerem Magen ausharren – aber auch das nur bis Sonnenuntergang.

Vier Arbeitsgruppen zu den Themen Sicherheit und Normalisierung, Grenzverlauf und Wasserverteilung stehen auf dem Programm. Bei dem ersten Treffen zwischen Israels Premierminister Ehud Barak und dem syrischen Außenminister Faruk a-Schara vor knapp drei Wochen vereinbarten beide Seiten, die Verhandlungen mit den Arbeitsgruppen Normalisierung und Sicherheitsregelungen aufzunehmen. Der Grenzverlauf sowie die Wasserfrage sollte ans Ende des Gipfels gestellt werden – eine Abmachung, die den Israelis zweifellos entgegenkommt.

Der zu vereinbarende Grenzverlauf ist von der Wasserfrage nicht zu trennen. Er ist vermutlich der empfindlichste Punkt bei den Verhandlungen. Die Syrer hoffen unverändert auf die Rückgabe der gesamten Golanhöhen bis hin zur Waffenstillstandslinie vom 4. Juni 1967, die mehrere Kilometer östlich der internationalen Grenze bis hinunter zum See Genezareth verläuft. Damit würde Syrien ein Drittel des Wasserreservoirs zur Verfügung stehen. In dieser Frage unmissverständlich hatte Ehud Barak im Verlauf einer Regierungssitzung kurz vor seiner Abfahrt nach Amerika erklärt: „Das größte Wasserreservoir des Staates wird auf jeden Fall von unserer Hand umfasst werden.“

Flexibilität auf israelischer Seite scheint sich hingegen in der Frage der Sicherheitsregelungen herauszukristallisieren. Streitpunkt scheint nur noch die Station des militärischen israelischen Nachrichtendienstes auf dem Hermon zu sein. Ein möglicher Kompromiss für diese Station wäre die Übernahme durch amerikanische Militärs.

Schwierig bei den Sicherheitsregelungen bleibt die Frage der entmilitarisierten Zone. Von „mehreren zig Kilometern“ auf syrischer Seite spricht Ehud Barak. Die Syrer fordern wiederum „Symmetrie“, was für die Israelis nicht zur Debatte steht. Barak hatte bereits im Vorfeld der Verhandlungen angekündigt, dass er „in Fragen der Sicherheit keinen Zentimeter“ nachgeben wolle. Die Erinnerung an die syrischen Übergriffe auf die Kibuzzim am See Genezareth noch vor dem Sechstagekrieg und die Perspektive auf das in Israel geplante Referendum machten eine entmilitarisierte Zone auf israelischer Seite der Grenze unmöglich.

Der EU-Nahostbeauftragte Miguel Moratinos dämpfte nach seinen Gesprächen letzte Woche in Damaskus die Hoffnungen in Jerusalem. Seinem Eindruck nach ist von syrischer Seite derzeit nicht mit „vertrauensbildenden Maßnahmen“ zu rechnen. Offenbar wollen die Syrer die erste Runde vor allem dazu nutzen, mehr über die israelischen Standpunkte und mögliche Kompromisse zu erfahren. Ein Rahmenplan für den Fortgang der Gespräche, wie ihn sich die Israelis zunächst erhofften, scheint derzeit illusorisch. Dennoch sollte der Gipfel zumindest eine Einigung über die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und Libanon bringen. Dazu hatte sich Syrien bereits verplichtet. Die ungünstigen Vorzeichen missachtend, versprach Barak vor seinem Abflug vom Ben-Gurion-Flughafen: „Ich werde noch in diesem Jahr den Frieden erreichen.“ Susanne Knaul