Kohls Schatten wird länger

Während die Ermittlungen gegen das CDU-Denkmal begonnen haben, gerät sein Ex-Adlatus Schäuble zunehmend unter Druck. Union immer nervöser ■ Von Karin Nink

Berlin (taz) – Die Bonner Staatsanwaltschaft hat gestern die Ermittlungen gegen Altkanzler Helmut Kohl wegen des Verdachts der Untreue aufgenommen. Sie prüft, ob Kohl seiner Partei, der CDU, finanziell geschadet hat, weil er nach eigenem Eingeständnis zwischen 1993 und 1998 rund 2 Millionen Mark Spenden am offiziellen Rechenwerk der Partei vorbei kassiert hat.

Kohl kann nun die Aussage sowohl vor der Staatsanwaltschaft als auch vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre verweigern, weil er durch die Ermittlungen den Status eines Beschuldigten erhält und das Recht hat, sich nicht selbst belasten zu müssen. Unklar ist noch, ob Kohl vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu allen Komplexen schweigen kann, oder ob er zu den Sachverhalten, die strafrechtlich verjährt sind, nicht doch Stellung beziehen muss.

Gleichzeitig wehrt sich die CDU gegen Vorwürfe, dass ein Geldtransfer von der Fraktion an die Partei in Höhe von 1,15 Millionen Mark Ende 1996/Anfang 1997 gegen das Parteiengesetz verstoßen habe. Der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss zur Spendenaffäre, Andreas Schmidt, sagte, es habe sich bei dem Geld nicht um öffentliche Mittel gehandelt. Vielmehr hätten die CDU-Abgeordneten Beiträge aus ihrem versteuerten Einkommen in die Fraktionskasse gezahlt. Nach Auskunft von Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble während einer Pressekonferenz vor Weihnachten war auf dem Konto aber auch Geld, das die Partei der Fraktion für geplante gemeinsame Aktionen überlassen hatte.

Der Anwalt Hans-Christian Ströbele, der für die Grünen im Untersuchungsausschuss sitzt, sieht in dem Fall einen klaren Verstoß gegen das Parteiengesetz. Die Summe werde die CDU „dreifach an die Bundestagsverwaltung“ zurückzahlen müssen. Nach dem 1994 geänderten Parteiengesetz sei es verboten, Fraktionsgelder an die Parteien zu überweisen. Die nun gemachte Unterscheidung zwischen Fraktionsgeldern und Mitgliederbeiträgen sei nicht durchzuhalten, schließlich könne man später kaum nachvollziehen, woher welches Geld gekommen sei. Nach Ströbeles Ansicht kann Schäuble, der auch damals Fraktionsvorsitzender war, seine Verantwortung für die Transaktion nicht leugnen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Joachim Hörster, hat den durch die Affäre in die Kritik geratene Schäuble erneut in Schutz genommen. Schäuble habe als Fraktionsvorsitzender zwar von der Kontoauflösung gewusst und davon, dass der Partei das Geld zufließen solle, aber nicht, wie der Vorgang vollzogen worden sei. Hörster hatte die 1,15 Millionen in bar abgehoben und sie dem Kohl-Vertrauten Terlinden übergeben. Dieser reichte das Geld an den Schwarzkonten-Verwalter der CDU, Horst Weyrauch, weiter.

Der stellvertretende Vorsitzende des Immunitätsausschusses des Bundestages, Wolfgang von Stetten, kritisierte die Art und Weise, wie die 1,15 Millionen Mark der Partei zugeflossen sind. Das hätte nicht „mit einem Koffer“ geschehen dürfen. Als „falsch“ bezeichnete der CDU-Mann auch, dass diese Beiträge der Mitglieder des Parlaments nicht unter Ziffer 1 des Rechenschaftsberichts unter „Ähnlich regelmäßige Beiträge“ verbucht wurden, sondern zum Teil unter „Sonstige Einnahmen“, zum Teil gar nicht. „Das macht die Sache etwas problematisch“, so von Stetten.

Die von der rot-grünen Regierungskoalition geäußerte Kritik an Schäuble im Zusammenhang mit dem Transfer der 1,15 Millionen Mark sei der Versuch, „die CDU als Ganzes ins Zwielicht zu rücken“, sagte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos.