Der Kampf der Befreiungsbewegungen im Süden Afrikas war lang. Jetzt sind sie in Mosambik, Simbabwe, Namibia und Südafrika an der Macht. Die dunkle Seite ihrer Vergangenheit verdrängen sie. Eine Filmreihe bringt jetzt Licht ins Dunkel ■ Aus Südafrika Kordula Doerfler
: Schweigen im Namen der Befreiung

Sie hängten sie mit den Füßen nach oben auf und folterten sie. Dann behaupteten sie, sie habe ein Radio in ihrem Fuß versteckt, und schnitten ihn auf, um es herauszuholen. Die Wunde ist grob und wülstig verheilt. Das Trauma bleibt. „Bis heute kann ich nicht glauben, was mir meine eigenen Leute angetan haben“, sagt Elizabeth. Aus ihren Worten spricht noch heute Wut und Bitterkeit. Es gibt keinen Frieden in ihrem Leben, obwohl ihr Land, oberflächlich zumindest, Frieden gefunden hat. Namibia, seit 1989 unabhängig, galt lange als Musterland der Befreiung. Doch mit seiner Vergangenheit hat es sich nie beschäftigt. Für alle Verbrechen, die im 23-jährigen Befreiungskampf gegen Apartheid-Südafrika begangen wurden, gilt eine Generalamnestie, auch für die Befreiungsbewegung Swapo.

Elizabeth war eines ihrer Opfer. Als junges Mädchen wurde sie schwer misshandelt, nachdem sie über die nördliche Grenze des damaligen Südwestafrikas geflohen war. In einem Swapo-Lager im Nachbarland Angola wurde sie als Spionin des weißen Regimes in Südafrika verdächtigt, das Namibia besetzt hielt – wie ungezählte andere. Von 2.000 dort Inhaftierten kehrten nur 200 nach Namibia zurück. Was geschah mit den anderen? Niemand weiß es. Die Swapo wünscht keine Auseinandersetzung, um der nationalen Einheit willen.

Erst jetzt, mehr als zehn Jahre nach der Unabhängigkeit, ist erstmals ein Film über die Verbrechen der Befreiungsbewegungen zu sehen. Der Dokumentarfilm „I have seen“ von Richard Pakleppa ist Teil der vierteiligen Serie „Landscape of Memory“, eines Projekts von unabhängigen Filmemachern im südlichen Afrika, produziert von dem Südafrikaner Don Edkins. In vier Ländern ging man der Frage nach, wie sie mit ihrer gewalttätigen Vergangenheit umgehen und wie die Menschen ihre Traumata verarbeiten. Die drei weiteren Teile wurden in Simbabwe, Mosambik und Südafrika jeweils von aus den Ländern stammenden Regisseuren gedreht.

Seit kurzem wird die Serie im südafrikanischen Fernsehen ausgestrahlt. Dort hat die ehemalige Befreiungsbewegung ANC es immerhin gewagt, mit einer Wahrheitskommission Menschenrechtsverletzungen aufzuklären. Obwohl sie weltweit als Erfolg gefeiert wurde, blieb sie innerhalb Südafrikas bis zuletzt umstritten. Die meisten Weißen lehnten sie ab, und der ANC wollte am Ende eine Veröffentlichung des Abschlussberichts verhindern, weil dort auch den Befreiungsbewegungen schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden. Doch allein ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass in Südafrika heute die Ausstrahlung einer solchen Serie möglich ist, wenn auch nur mit Abstrichen. Den namibischen Teil, von den vier Filmen der schärfste in seinen politischen Aussagen, wollten die zuständigen Redakteure zunächst lieber nicht zeigen, aus Rücksicht auf die Beziehungen des südafrikanischen ANC zu den Genossen in der Swapo. Schließlich entschied man sich aber doch für die Ausstrahlung auch dieses Films.

Die vier Länder verbindet eine blutige Geschichte der Befreiung. Sie unterscheidet, wie sie sich dieser Geschichte stellen. Wie leben Täter und Opfer nebeneinander weiter? Die vier jeweils knapp halbstündigen Dokumentarfilme leisten Pionierarbeit. Überwiegend leise, mit eindringlichen Bildern und Interviews stoßen sie in die Grauzonen einer verdrängten Geschichte vor. „Manchmal glaube ich, dass ich brenne. Dann bitte ich andere, mir Wasser über den Körper zu schütten“, sagt Edison Chitekuteku in Simbabwe. Als Soldat der 5. Brigade, einer Sondereinheit von Mugabes Armee, hat er Opfer verbrannt. Selbst das Interview für den Film „Soul in torment“ bereitet ihm sichtbar Qualen. Die Familien seiner Opfer wollten seine Entschuldigung nicht. Die Regierung Mugabe hingegen weigert sich bis heute, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Zwar hat vor zwei Jahren ein erster, von Menschenrechtsgruppen erarbeiteter Bericht zu den Verbrechen im Matabeleland außerhalb Simbabwes viel Beachtung gefunden. Im Land selbst aber wird geschwiegen, und ebenso wie in Namibia ist es dort unmöglich, die Filme im Fernsehen auszustrahlen.

Einen jeweils ganz anderen Weg gingen Mosambik und Südafrika. Mosambik, bettelarm und unterentwickelt, hat es nach 16 Jahren Bürgerkrieg geschafft, halbwegs Frieden zu finden. Über den „Bruderkrieg“ spricht man nicht gern, seine Folgen aber sind im Alltag höchst gegenwärtig. Im Film „Out of the ashes“, gedreht in einem Dorf im Norden des Landes, wird gezeigt, wie dort Opfer und Täter miteinander leben können: ihre Seelen werden von traditionellen Heilern von den bösen Taten der Vergangenheit gereinigt. Dann spricht man nie wieder über den Krieg, der eine Million Menschen das Leben gekostet hat. „Das Geheimnis des Lebens ist Schweigen“, sagt ein Vater zu seinem Sohn, der als Achtjähriger von der rechten Guerillabewegung Renamo zwangsrekrutiert wurde. „Ich habe mit den Geistern gesprochen und sie um Versöhnung gebeten“, sagt Paulo, auch ein Ex-Renamo-Guerilla. „Jetzt ist der Krieg wirklich vorbei, und wir müssen damit anfangen, unser Leben mit neuen Herzen zu leben.“

„Wir haben Schwierigkeiten, normal zu sein“, sagt hingegen Deborah Mathsoba, ein Apartheid-Opfer in Südafrika. Jahrelang sperrte sie das weiße Regime in Einzelhaft und folterte sie. An den psychologischen Folgen leidet sie bis heute, schwer traumatisiert. Sie hat vor Südafrikas Wahrheitskommission ausgesagt, doch auch damit keinen Frieden gefunden. „So viel Schmerz für die Wahrheit. Wohin gehen wir von hier aus?“ Am Ende hat die schwarze Südafrikanerin zwar vergeben. Doch die Versöhnung hat auch Südafrika noch vor sich, das hat auch die Kommission für Wahrheit und Versöhnung, wie sie im vollen Wortlaut hieß, nicht leisten können. Und die Verbrechen, die die Befreiungsbewegungen im Namen der Befreiung in Südafrika begangen hatten, bleiben in dem Film hingegen vollkommen unerwähnt. Hätte man sie zum Thema gemacht, hätte die Serie wohl auch in Südafrika keine Chance gehabt.