Der Mann muss weg

Molche, Badehosen, Cyber-Fritten: Im Schnelldurchlauf durchs Hamburger Jahr 2000  ■ Von Peter Ahrens

Januar: Die FDP stellt ihre neue Mitgliederzeitung Klartext vor. Sonst passiert nichts.

Februar: Der Präses der Handelskammer protestiert mit einer Sitzblockade auf dem Fahrradweg in Övelgönne gegen die menschenverachtende Verkehrspolitik von Bausenator Eugen Wagner. Bild: Der Mann muss weg.

März: Die Sozialsenatorin eröffnet einen neuen dezentralen Druckraum auf Neuwerk. Bereits zwei Monate später sucht ein Leuchtturmwärter den Raum auf, nachdem er Druck im Magen verspürt und sich zwei Kohletabletten eingeschmissen hat. Die Senatorin glücklich: „Die steigenden Fallzahlen geben uns Recht.“

April: Ein liegen gebliebener Chinaböller der Klasse B vom Silvesterfeuerwerk wird an der Binnenalster entdeckt. Die Innenbehörde ordnet die Evakuierung der Mönckebergstraße an und lässt auch Harburg vorsorglich räumen. Alles geht gut. Der Innensenator befriedigt: „Ich danke allen Polizeibeamten und Feuerwehrleuten für ihren vorbildlichen Einsatz.“ Bild: Der Mann muss weg.

Mai: CDU-Fraktionschef Ole von Beust stolpert über die „Schutzwesten-Affäre“. Es stellt sich heraus, dass die Westen, mit denen die Fraktionsmitglieder seit März regelmäßig zu den Bürgerschaftssitzungen erscheinen, aus schwarzen Kassen bezahlt worden sind. Der PUA „Westentasche“ konstituiert sich. Erste Ergebnisse werden fürs Jahr 2004 erwartet, nachdem der PUA Filz seinen Zwischenbericht vorgelegt haben will.

Juni: Airbus Industries entscheidet: Der A3XX wird in Schlangen (Kreis Lippe) gebaut. Der Wirtschaftssenator spricht von einem „guten Signal für den Wirtschaftsstandort Hamburg. Die Stadt ist nach wie vor im Rennen“. Der Bausenator plant eine Transrapid-Strecke zwischen Hamburg und Schlangen. Bild: Der Mann muss weg.

Juli: Ganz Hamburg stöhnt unter der Hitze. In der Bürgerschaft tritt der GAL-Abgeordnete Axel Bühler nur mit einer Badehose bekleidet auf. Spontan-Ohnmacht auf der Pressetribüne.

August: Die erste virtuelle Frittenbude macht in St.Pauli auf. Der Wirtschaftssenator spricht von einem „guten Signal für den Wirtschaftsstandort Hamburg“. Die Stadt habe sich einmal mehr als „Medienhauptstadt Nummer eins“ etabliert. HSV-Präsident Hackmann verspricht: „Das Stadiondach kommt.“ Im Gegenzug kontert St.Pauli-Chef Weisener: „Ab November rollen die Bagger fürs neue Millerntor-Stadion.“

September: Die Sozialbehörde wird öffentlich ausgeschrieben. Den Zuschlag erhält die Handelskammer für ihr Versprechen, Sozialleistungen künftig flächende-ckend für einen so genannten Vergeltsgott-Tarif anzubieten. Als erste Maßnahme wird die Seitenstraße neben der Behörde vierspurig ausgebaut. Der Wirtschaftssenator spricht von einem „guten Signal für den Wirtschaftsstandort, gerade auch im Wettbewerb mit Berlin“. Die Aktion des Umweltsenators, Kammmolche im Rathausbrunnen anzusiedeln, scheitert an der Jahreszeit. Bild: Der Mann muss weg.

Oktober: Die FDP ist bei der Suche nach prominenter Unterstützung endlich fündig geworden und präsentiert Henry Vahl als Spitzenkandidaten für die kommende Bürgerschaftswahl. Auf das Argument, der sei doch schon tot, erklärt der FDP-Pressesprecher: „Na und, wir doch auch“ und erklärt daraufhin verärgert seinen Rücktritt. Der FC St. Pauli erreicht im Kellerduell der Regionalliga ein wichtiges 1:1-Unentschieden gegen die Sportfreunde Ricklingen. 30 Fans intonieren das berühmte: „You'll never walk alone.“ Echte Pauli-Atmosphäre.

November: Die Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich sind festgefahren. Der Bundesfinanzminister entscheidet: Hamburg wird Bayern angegliedert.

Dezember: Veranstalter Carlheinz Hollmann feuert Bayerns größtes Trillenium-Feuerwerk über der Alster ab. Nebel. Man sieht nichts. Hollmann zufrieden: „Macht nichts. Nächstes Jahr fängt das Jahrtausend ja erst richtig an.“