Bei der Feuerwehr brennt’s

■ Nach ihrem Computerausfall zu Silvester steht die Feuerwehr in der Kritik. Ein ähnliches Chaos hat es seit 30 Jahren nicht gegeben. Gewerkschaft der Polizei will Vorwürfe prüfen

Nachdem der Rechner die Notrufe nicht gemeldet hat, gab die Feuerwehr die Order, dass alle Einsatzfahrzeuge prophylaktisch Streife fahren sollen

Für die Feuerwehr beginnt das neue Jahr mit schweren Vorwürfen. Bei der Gewerkschaft der Polizei, die auch für die Feuerwehr zuständig ist, haben laut Pressesprecher Klaus Eisenreich gestern mehrere „empörte Feuerwehrleute angerufen“ und berichtet, dass in der Silvesternacht das „ganze Führungssystem in sich zusammengebrochen“ sei.

Zudem kritisierten die Feuerwehrleute, dass die Vorbereitung für die Nacht mangelhaft gewesen sei. Ein anonymer Feuerwehrmann erhob außerdem den Vorwurf, der Computerausfall habe in Charlottenburg ein Menschenleben gekostet. Die Gewerkschaft der Polizei will die Vorwürfe prüfen und an den Innensenator und das Parlament weiterleiten. GdP-Sprecher Eisenreich: „Landesbranddirektor Broemme wird sich zudem fragen lassen müssen, wieso er vor allem auf Empfängen zu sehen war und nicht in der Leitstelle der Feuerwehr.“

Ursache des Durcheinanders war der Hauptrechner der Feuerwehr. Der war in der Silvesternacht für fünfeinhalb Stunden ausgefallen. Die Feuerwehr schließt Sabotage aus den eigenen Reihen oder durch die Firma, die den Computer installiert hat, nicht aus.

Jetzt ermittelt das Landeskriminalamt. Die Untersuchung wird vermutlich eine Woche dauern.

Der Sprecher der Feuerwehr, Klaus-Günter Ziegler, gab gestern zu, dass in den ersten drei Stunden nach Mitternacht ein heilloses Durcheinander geherrscht habe. Zunächst habe der kaputte Rechner die Notrufe eine Stunde lang geschluckt und die Feuerwehr hätte an die Einsatzorte nicht ausrücken können, weil sie sie nicht gekannt habe.

„Einige Leute mussten dreimal anrufen, bis wir den Notruf wirklich aufnehmen konnten“, sagte Ziegler. Um 2 Uhr nachts sei dann die Devise gewesen: „Alles raus, nur raus, was wir haben.“ Über Rundruf sei angeordnet worden, dass alle Einsatzfahrzeuge der Berliner Feuerwehr ausrücken sollten und in ihrem Bereich Streife fahren sollten. Insgesamt wurden an Silvester und Neujahr rund 4.000 Einsätze gefahren, was einer 40-prozentigen Steigerung zum Silvester des Vorjahres entspricht.

Verletzte seien von der Polizei bisweilen im Funkwagen abtransportiert worden, da die Feuerwehr die Einsätze nicht mehr ausreichend hätte koordinieren können. Zudem hätte die Polizei beim Löschen der Brände geholfen. Ein Zugführer der Feuerwehr soll laut Berliner Zeitung gesagt haben: „Wenn uns die Polizei nicht mir ihren Wasserwerfern bei den Löscharbeiten geholfen hätte, wäre es zu einer Katastrophe gekommen.“ Aber auch Feuerwehrsprecher Ziegler bestätigte, dass die Polizei die Aufgaben der Feuerwehr in der Nacht mit übernehmen musste: „Das ist Schulterschluss.“

Gleichzeitig bedauerte Ziegler, dass die Feuerwehr nun in so schlechtem Licht dastehe. „Das geht an die Berufsehre.“ Er habe schon 30 Jahreswechsel miterlebt, so ein Chaos hätte er aber noch nie erlebt und da könnte er seine Kollegen nun verstehen, die sich anonym und bei der Gewerkschaft der Polizei beschweren würden. An den Einsatzorten seien seine Kollegen in der Silversternacht oftmals von aufgebrachten Bürgern beschimpft worden: „Na ihr Nachtjacken, habt ihr zu lange gefeiert, kommt ihr jetzt erst.“ Die Vorwürfe, die die Gewerkschaft der Polizei gegen den Landesbranddirektor Albrecht Broemme erhebt, teilt Ziegler aber nicht: „Broemme ist um 1.30 Uhr in die Leitstelle gekommen.“

Bei der taz ging gestern unterdessen ein anonymes Fax ein. Darin beklagt ein Feuerwehrmann, dass bei den Einsätzen ein solches Chaos geherrscht habe, dass sogar Menschenleben zu beklagen seien. Er bezieht sich dabei auf einen Unfall auf der Ruhlebener Straße in Charlottenburg, bei dem in der Silvesternacht ein Mann ums Leben kam, nachdem er mit seinem Wagen gegen einen Laternenmast geprallt war. In dem Fall sei laut Feuerwehrsprecher Ziegler der Einsatz durch „Zufall“ allerdings sehr zügig verlaufen, weil ein kompletter Löschzug auf dem Rückweg von einem anderen Einsatzort schon vier Minuten später an der Unfallstelle vorbeigekommen sei. Die Feuerwehrsanitäter hätten sofort mit der Reanimation des Fahrers begonnen, die erfolglos verlief.

Ziegler räumte aber ein, dass der Notarztwagen mit dem Arzt, der die Reanimationsspritze mit sich führe, erst eine halbe Stunde später am Unfallort eingetroffen sei. Warum der Notarztwagen der Feuerwehr so lange gebraucht hat, konnte er gestern allerdings nicht sagen. Annette Rollmann