Vorsorgliche Kündigung im Himmel über Berlin

Der ORB will die Radio-Kooperation mit dem SFB ab 2001 neu verhandeln

Nur „vorsorglich“ hat der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) die Radio-Kooperation mit dem Sender Freies Berlin (SFB) zum Jahresende 2000 gekündigt. Damit steht das Paket von insgesamt fünf gemeinsamen Programmen für die Region Berlin-Brandenburg zur Disposition.

Der ORB-Rundfunkrat forderte im Dezember ein „Überprüfung und Anpassung“ der entsprechenden Verträge, aber ORB-Intendant HansjürgenRosenbauer gibt sich gelassen: „Die derzeitige Kooperation ist insgesamt erfolgreich. Ich möchte sie; wenn auch unter veränderten Bedingungen; so umfangreich wie möglich fortsetzen.“

Die kleine Chronik dieser Zweckbeziehung begann 1993 mit der Jugendwelle Fritz, die aus dem dt64-Nachfolger Rockradio B des ORB und Radio 4 U des SFB hervorgegangen war. 1995 kam InfoRadio Berlin-Brandenburg dazu, ein musikfreies Nachrichtenprogramm, seinerzeit eine echte Innovation. Die nächste Phase begann 1997 mit gleich drei Programmen: Radio Eins, Nachfolger des anspruchsvollen Radio Brandenburg und der Berliner Servicewelle SFB 2, Radio Kultur, in dem die Hochkulturambitionen von ORB und SFB gebündelt werden sollten, und schließlich Radio 3, einer Art Klassik-Radio für Fortgeschrittene, das gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) veranstaltet wird. Während bei InfoRadio und den Kultursendern als Spartenprogrammen nicht auf hohe Hörerzahlen spekuliert wurde, blieb Radio Eins klar hinter den Erwartungen zurück. Der einzige Erfolg der Kooperation ist die Jugendwelle Fritz, die sich einer guten Akzeptanz bei der Zielgruppe erfreuen kann und deren Hörerzahlen mit denen der privater (Jugend-)Sender vergleichbar sind.

Der ORB signalisiert trotz der jetzt ausgesprochenenKündigung Bereitschaft, Fritz, Radio Eins und ein aus Radio Kultur und Radio 3 zusammengefasstes „Hochkulturprogramm“ auch über den 31. Dezember 2000 weiterzuführen. An InfoRadio will man sich aber nicht mehr beteiligen – zumindest nicht bis 2003. Grund sind laut ORB vor allem finanzielle Beschränkungen. Nun ist ausgerechnet InfoRadio für SFB-Intendant Horst Schättle ein Prestigeprojekt, auf das er nicht verzichten möchte. Alleine kann der finanziell angschlagene SFB InfoRadio aber wohl nicht weiterführen. Eine reine SFB-Trägerschaft würde zudem vielfältige Probleme aufwerfen: Die festen Mitarbeiter haben SFB- oder ORB-Verträge, und die Frequenz 93,1, auf der InfoRadio in Berlin und Potsdam zu hören ist, wurde beiden Anstalten ausdrücklich gemeinsam zugeteilt.

Auf der anderen Seite ist beim SFB die Akzeptanz für Radio Eins begrenzt, doch gerade dieses Programm ist dem ORB besonders wichtig – obwohl das Programm viel mehr nach Berlin als nach Brandenburg klingt.

Morgen wollen die Intendanten von SFB, ORB und dem an der Kulturwelle beteiligten NDR über die Zukunft der gemeinsamen Programme sprechen.

Jens Steinbrenner