„Spendenwaschanlage Fraktion“

Der Parteienrechtler Martin Morlok wertet als Gesetzesverstoß, was die CDU „völlig normal“ findet: Fraktionsgelder an die Partei zu geben

taz: Die CDU-Fraktion hat rund 1,15 Millionen Mark aus ihrer Kasse in die der Partei transferiert. Die CDU findet das „völlig normal“. Was sagt das Parteiengesetz?

Martin Morlok: Die Rechtslage ist eindeutig. Paragraf 25 sagt, dass Parteien keine Spenden von Fraktionen annehmen dürfen.

Welchen Sinn hat diese Regel?

Es soll eine klare Trennung geben zwischen der Partei als einem Verein von Bürgern und der Fraktion als Teil des Staatsorgans Parlament. Die öffentlichen Gelder der Fraktionen sollen nicht in die Parteikassen gehen.

Und wenn es sich gar nicht um Spenden handelt, sondern um Abgeordnetengelder?

Eine Spende ist im Parteiengesetz sehr umfassend definiert. Spenden sind alle geldwerten Leistungen. Im Fall der CDU-Fraktion geht es sogar um Bargeld. Es ist also gar keine Frage, dass es sich um eine Spende an die CDU handelte – und damit um einen Verstoß gegen das Parteiengesetz.

Die CDU behauptet, dass es sich nicht um öffentliche Gelder handelte, sondern um private Spenden der Fraktionsmitglieder. Verändert das die Sachlage?

Das Parteiengesetz möchte Finanzströme transparent machen. Nach dem Argument der CDU wäre nun also zu ermitteln, wer das Geld mit welchem Zweck an die Partei gegeben hat. Genau diese komplizierte Suche wollte der Gesetzgeber aber vermeiden. Im Übrigen kann nicht einmal die CDU-Fraktion selbst einen präzisen Nachweis über die Herkunft der Gelder führen. Ich sehe also überhaupt keinen Grund, von der Klarheit des Parteiengesetzes abzugehen, dass prinzipiell kein Geld von der Fraktion an die Partei zu fließen hat. Außerdem: Würde man der CDU-Logik folgen, wäre die Fraktion eine wunderbare Spendenwaschanlage.

Auch Abgeordnete anderer Fraktionen führen Gelder an ihre Partei ab. Worin unterscheidet sich das von der CDU-Praxis?

Alle Parteien verlangen Geld von den Abgeordneten, die mit ihrem Parteibuch ins Parlament gewählt wurden. Man spricht von „Parteisteuern“. Die Diskussion, ob der einzelne Abgeordnete relativ hohe Beiträge an die Partei entrichten darf, kann man durchaus führen. Mit der CDU-Affäre hat das aber nichts zu tun, weil die Parlamentarier laut CDU ihre Beiträge ja der Fraktion zur Verfügung gestellt haben. Das sieht man schon daran, dass die normalen CDU-Abgeordneten nicht gefragt wurden, als die Fraktionsgeschäftsführer das Konto auflösten.

Und die Million ist ja nicht etwa überwiesen worden, sondern wurde im Geldkoffer hin- und hergetragen.

Lassen Sie mich mit einer abstrakten Überlegung antworten. Man wickelt Bargeschäfte größeren Umfangs doch nur dann ab, wenn man Herkunft und Verwendungszweck der Gelder verschleiern will.

Welche Strafen sind vorgesehen, wenn Partei oder Fraktion gegen das Parteiengesetz verstoßen?

Das Verbot besteht für Fraktion und Partei. Sanktionen gibt es nur für die Partei. Wenn sie, wie in diesem Fall, eine illegale Spende eingenommen hat, dann muss die Spende selbst an den Bundestagspräsidenten abgegeben werden, der sie gemeinnützigen Zwecken zuführt. Zusätzlich vermindert sich der Anspruch der Partei auf staatliche Mittel in doppelter Höhe der Spenden.

Was bedeutet es für die politische Kultur, dass die CDU-Fraktion in die dubiosen Geldgeschäfte Helmut Kohls verwickelt ist?

Offensichtlich war das unsolide und in Teilen rechtswidrige Finanzgebaren der CDU nicht auf die Person Kohl beschränkt. Da mag ein System Kohl dahinter stecken, aber solche Aktionen haben ja immer mehrere Träger. Für die allgemeine Rechtskultur ist das so verheerend, weil der normale Bürger den Eindruck bekommt: Diejenigen, die die Gesetze machen, halten sich selber gar nicht daran.

Interview: Christian Füller