„Er macht da weiter, wo Merkel aufgehört hat“

Wolfgang Jüttner (SPD), niedersächsischer Umweltminister, wirft Trittin Doppelzüngigkeit vor

taz: Herr Jüttner, Bundesumweltminister Jürgen Trittin will das Endlager Schacht Konrad nicht, und Sie wollen es auch nicht. Trittin hat für ein nationales Endlager sogar neue Kriterien entwickeln lassen, um einen neuen Standort zu suchen.

Wolfgang Jüttner: Ja, so sagt er es öffentlich. Die Praxis sieht anders aus. Ich erlebe das Berliner Umweltministerium beim Schacht Konrad in einer merkwürdigen Mehrfachrolle. Das gibt es auf der einen Seite den öffentlich agierenden Bundesumweltminister mit seinem Pressereferat, die den Verzicht auf Konrad für möglich und notwendig erklären. Und auf der anderen Seite gibt es den Bund als Antragsteller in dem Genehmigungsverfahren Schacht Konrad und das Bundesumweltministerium als Aufsichtsbehörde über mein Ministerium. In diesen beiden Rollen unternimmt der Bund seit Monaten aber auch alles, um eine zügige Genehmigung des Endlagers durchzusetzen.

Dieser Vorwurf ist leicht in die Welt zu setzen. Gibt es Belege?

Leider. Nichts leichter als das. Das letzte offizielle und damit für mich rechtsverbindliche Schreiben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) macht das Drängen auf eine Genehmigung mehr als deutlich. Da sieht der Bund trotz des neuen Entsorgungskonzeptes zunächst einmal keinen Anlass, den Antrag auf die Errichtung des Endlagers Konrad zurückzuziehen. Das BfS sieht auch nicht die Notwendigkeit, seine Antragsunterlagen noch zu erweitern oder zu ergänzen. Alle Fragen des Strahlenschutzes und der Langzeitsicherheit des Lagers sieht das Bundesamt als geklärt an. Es verneint weiteren Prüfungsbedarf in diesen Punkten, obwohl der Bundesumweltminister mich am 1. Oktober persönlich zu diesen Prüfungen aufgefordert hatte. Das BfS will nicht einmal auf seinen Antrag verzichten, die Genehmigung für das Endlager für sofort vollziehbar zu erklären. Auch wenn gegen eine Genehmigung Rechtsmittel eingelegt oder Klagen angestrengt werden, will das Bundesamt mit dem Ausbau des Schachtes beginnen können.

Wenn es so ist – wie bewerten Sie diesen Vorgang politisch?

Hier ignoriert die Bundesregierung ihre eigene Koalitionsvereinbarung. Niedersachsen steht zu dieser Koalitionsvereinbarung, nach der nur ein Endlager notwendig ist. Der Bundesumweltminister allerdings knüpft nahtlos an die Tradition des letzten Jahrzehntes an, macht da weiter, wo seine Vorgängerin Angela Merkel aufgehört hat. Auch Trittin schöpft erst einmal alle rechtlichen Möglichkeiten aus, um am Standort Konrad eine Genehmigung durchzusetzen. Der Regierungswechsel im Bund hat sich auf dieses Verfahren nicht ausgewirkt. Das Verhalten des Bundesamtes für Strahlenschutz ist keine Spur geschmeidiger geworden. Es gibt lediglich ein doppeltes Spiel des Bundes aus öffentlichen Erklärungen des Bundesumweltministers und dem harten, realen Verhalten des Ministeriums in seiner Funktion als Antragsteller und als meine atomrechtliche Aufsichtsbehörde.

Trittin hat Ihnen in zahlreichen Erklärungen freigestellt, den Antrag auf Genehmigung des Endlagers abzuweisen.

Auch dies ist Teil des doppelten Spiels. Die zahlreichen Weisungen, mit denen Angela Merkel das Verfahren in Richtung Genehmigung lenkte, hat Trittin in Kraft gelassen. In Kraft ist nach wie vor die Weisung, mit der mir explizit untersagt wurde, den Antrag mangels Planrechtfertigung – also mit dem Argument: kein Bedarf – abzulehnen. Das Argument der Koalitionsvereinbarung gegen Konrad darf ich damit im Genehmigungsverfahren nicht benutzen.

Der Bundesumweltminister sagt, diese Weisungen hätten für das Genehmigungsverfahren keine Bedeutung mehr.

Öffentlich sagt er das, aber rechtsverbindlich erklärt er das mir gegenüber nicht. Ich kann jetzt nur hoffen und noch einmal darauf drängen, dass die Endlagerproblematik Bestandteil der Konsensgespräche über einen Atomausstieg wird. Unabhängig davon muss aber das niedersächsische Umweltministerium seinen normalen Arbeitsalltag als Planfeststellungsbehörde im Konrad-Verfahren absolvieren. Da zusätzliche Prüfungen nun nicht mehr anstehen, muss man realistischerweise von einem Abschluss dieses Verfahrens schon in den nächsten Monaten ausgehen.

Sie werden das Endlager dann genehmigen?

Ich kann hier der Entscheidung der Planfeststellungsbehörde nicht vorgreifen. Aber jedem, der in der Materie steckt, dürfte die mir dann verbleibende Handlungsmöglichkeit bekannt sein. Interview: Jürgen Voges