Ein Bremer „Nazi“ in New York City

■ Ignaz Dinné lebt und jazzt in den USA. Für ein paar Konzerte ist der Saxofonist jetzt in seine Heimatstadt gekommen

Ignaz Dinné ist viel unterwegs. Meistens zieht der gebürtige Bremer und Jazzsaxophonist von Kneipe zu Restaurant zu Session in seiner Wahlheimat New York. Manchmal kommt er aber zurück nach Bremen. Er gibt dann Konzerte oder berichtet im Interview von seinem Leben als „Nazi“ in New York.

taz: Sie sind in New York und in Bremen zu Hause. Wie nennen Sie die Amerikaner?

Ignaz Dinné: Ignaas Dinney. Nazi habe ich auch schon gehört, nach dem US-Cartoon „Nuts“.

„Nazi“ war nicht böse gemeint?

Überhaupt nicht, kein Hintergedanke.

Sie sind 1971 geboren, 1994 als 23-Jähriger an die Berklee School of Music in Boston gegangen. Wie kam es dazu?

1992 hat die Boston School in Deutschland einen Workshop veranstaltet. Die haben ihre Lehrer auf Reisen geschickt und Stipendien vergeben. Ich habe mich da beworben und ein Stipendium bekommen. So fing das an. Nach drei Semestern ging ich an das Thelonius Monk Institute in eine Klasse mit sieben Leuten. Da gab es namhafte Lehrer wie Clark Terry, John Abercrombie, Wynton Marsalis, Ron Carter als musikalischer Direktor. Für sieben Leute Einzel- und Ensemble-Unterricht, eine dreiwöchige Tournee durch Thailand und Indien mit Herbie Hancock und Wayne Shorter, das war echt Luxus.

Sie haben erst mit 18 Jahren angefangen, Saxofon zu spielen. Wie sind Sie zum Jazz gekommen?

Durch meinen Vater Ed Kröger. Auch durch meine Mutter, die die „Lila Eule“, damals noch ein Jazz-Club, hatte. Seit ich geboren, bin ich mit Jazz zusammen gewesen. Ich habe sogar zum Einschlafen Jazz gehört. Mit zehn habe ich für ein Jahr Posaune gespielt, bin aber nicht weit gekommen. Mit 18 hatte ich dann Saxofonunterricht bei Eckhard Petri. Und da war mir klar: Das ist mein Instrument.

Wie fühlt man sich als New Yorker in Bremen?

Am Anfang hatte ich Umstellungsschwierigkeiten. Ich habe mich so verändert und bewegt und so viele neue Eindrücke gekriegt, dass ich das Gefühl habe, hier ist alles wie immer. Die Leute hier sind viel ruhiger, auch gesättigt, eingefahren. Man macht seinen Job, weiß genau, was einen erwartet, und das soll auch gar nicht anders sein. In New York ist das anders. Da ist mehr Leben, da vibriert es, da ist eine ganz andere Energie im Alltag. Trotzdem: Im Vergleich zu anderen Großstädten wie Hamburg ist das mit Auftrittsmöglichkeiten hier in Bremen sehr gut.

Welche Auftrittsmöglichkeiten haben Sie in New York?

Mal habe ich viel zu tun – vier bis fünf Auftritte die Woche, oder zwei am Tag. Das sind zu 99 Prozent Kneipenauftritte, Bars, Restaurants, aber keine Tanzmusik oder vornehmer Dinner-Jazz. Ich spiele meine Musik, bin aber Hintergrund. In Amerika gehört das noch dazu, dass in Restaurants Unterhaltung geboten wird. Ron Carter etwa spielt in einem bürgerlichen Steakhouse, dem „Knickerbocker“. Die Leute sind laut. Während der ersten zwei Sets hörst du nichts, erst ab dem dritten kannst du vielleicht ein bisschen Musik hören.

Wo spielen Sie?

Ich veranstalte in meiner Wohnung Sessions, lade Leute ein, werde eingeladen, gehe auf öffentliche Sessions.

Können Sie davon leben?

Noch nicht. Ich habe Monate, da geht's, dann wieder nicht, und ich bin froh, wenn ich am Ersten die Miete habe. Viele US-Musiker gehen nach Europa, weil sie sich hier als Künstler ernst genommen fühlen, mehr Auftritte haben.

Warum sind Sie den umgekehrten Weg gegangen?

Es ist ein großer Unterschied, ob man wie ich die Musik lernt oder ob man sie hier zur Vorführung bringt als jemand, der mit dieser Musik in Amerika aufgewachsen ist, sie dort gelernt hat und dann nach Europa kommt und sie vorspielt. In Europa Straight-Ahead-Jazz zu lernen ist schwer: Es gibt keine Vorbilder, keine gewachsene Tradition, was diesen speziellen Stil angeht. Natürlich existieren europäische Musikstile wie ECM-Label. Aber das ist Musik, die nicht in den USA entstanden ist, und ich bin nun mal an Straight-Ahead-Jazz interessiert. Und dass man das nirgends so gut lernen kann, wie da. Die „alten Weisen“ leben da noch.

Wo wohnen Sie?

In Brooklyn. Eine Riesenstraße, drei Spuren in jede Richtung, U-Bahn-Schacht in der Mitte und eine Feuerwehrwache gegenüber. Höllisch laut und dreckig.

Ihre Pläne dort für die Zukunft?

Ich will ein Studio mieten und eine eigene CD einspielen und dann ein Label finden.

Warum erst jetzt?

Das ist geschäftlich eine absolute Notwendigkeit, um an Jobs zu kommen. Zudem habe ich mir lange nicht zugetraut, eine eigene Platte zu machen. Aber wie ich jetzt spiele, dazu stehe ich. Ich habe meinen eigenen Sound.

Fragen: Michael Koczorek

Ignaz Dinné ist zu hören am 6. Januar im Studio auf den Höfen (Session) und am 8. Januar im Wiener Hofcafé mit seinem Vater Ed Kröger. Beginn jeweils um 21 Uhr