Kohls Kinder zanken um den Paten

■ Jetzt also auch Ole von Beust, Hamburg. Die internen Absetzbewegungen von Altkanzler Helmut Kohl beginnen zaghaft. Doch Jürgen Rüttgers, NRW, hält unverdrossen zu dem Übervater: „Die Menschen werden ihm zujubeln“

Berlin (taz) – „Alles hat seine Zeit.“ Ole von Beust wurde fast elegisch. „Ein Kanzler hat seine Zeit, ein Parteivorsitzender auch“, sinnierte der Chef der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion und ewiglich Junge Wilde seiner Partei. Aber, führte er seinen Gedanken zum unbarmherzigen Ende, „bei allem Respekt vor seinen Erfahrungen und seinen Leistungen: Die Kohl-Zeit ist vorbei.“

Von Beusts Einlassungen im Hamburger Abendblatt bilden den vorläufigen Höhepunkt der allseitigen Absetzbewegung einer Partei von ihrem Übervater. In der CDU gebe es unverändert einen „vorauseilenden Gehorsam nach dem Motto: Was würde Helmut Kohl jetzt machen?“, kritisierte von Beust gestern. Im gleichen Maße beginnen allerdings auch alte Gegner des Kohlschen Alleinherrscheranspruches zu sagen, was sie bisher nur dachten.

Von Beust selbst gehört dazu, und Kurt Biedenkopf, der am Montag den Ex-Kanzler mit einem störrischen Bauern verglich, der nicht so recht bereit ist, den Hof an den Jungbauern zu übergeben: „Wie bekommt man ihn dazu, sich endgültig aufs Altenteil zurückzuziehen?“ Demnächst wird sich wahrscheinlich Peter Müller zu Wort melden, vom Linken Wilden zum saarländischen Ministerpräsidenten aufgestiegen, oder sogar Schatzmeister Matthias Wissmann. Seit Generalsekretärin Angela Merkel öffentlich den Anstoß gab, über eine Zukunft ohne Kohl nachzudenken, purzeln die Dominosteine.

Nur vor einem Vorschlag scheuen selbst langjährige Kohl-Skeptiker zurück. Michael Luther hat es gewagt, ihn einmal auszusprechen, und es seitdem bereut. Der Bundestagsabgeordnete aus Sachsen, immerhin stellvertretender Fraktionschef, forderte am Dienstag, Kohl möge sein Parlamentsmandat aufgeben. „Der hat sie nicht mehr alle“, entfuhr es NRW-Landeschef Jürgen Rüttgers gestern, als „politisch geschmacklos und völlig unklug“ bezeichnete der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, den Vorschlag. „Völlig daneben, dümmlich“ und eine „Heckenschützen-Aktion“ nannte ihn die CDU-Abgeordnete Vera Lengsfeld. Kohl-Kritiker von Beust musste entsprechende Reaktionen geahnt haben. Er beschränkte sich auf die diplomatische Formulierung, Kohl „wäre gut beraten gewesen, sein Mandat unmittelbar nach der Bundestagswahl gar nicht anzunehmen“.

In den Augen vieler Christdemokraten käme es einem Sakrileg gleich, den Ex-Kanzler aus den Reihen der Unions-Fraktion im Bundestag zu drängen. Würde sich die CDU auf diese Weise von Kohl trennen, kann sie außerdem später schlecht mit seinen Sympathiewerten auf Wählerfang gehen. Anders als Volker Rühe in Schleswig-Holstein zählt Jürgen Rüttgers beim Kampf um die Landtagsmehrheit in Düsseldorf unverändert auf den Alt-Kanzler als Wahlhelfer. Er sei sicher, sagte der Ex-Minister gestern, dass die Menschen Helmut Kohl zujubeln würden. In der CDU ist die Zeit der Heiligenverehrung dagegen auch offiziell vorbei. Er sei Protestant, hat Parteichef Wolfgang Schäuble neulich klargestellt. „Ich bin nicht in der Heiligen Römischen Kirche, der Begriff der ewigen Anbetung ist mir nicht so geläufig. Seitdem ich zum Parteivorsitzenden gewählt worden bin, haben wir nicht Helmut Kohl, Kohl und noch mal Kohl gesagt.“ Patrik Schwarz