Zen und die Kunst zu Tanken

FDP lässt Autofahrer steuerfrei tanken. Die kriegen den Hals nicht voll

Behutsam zieht Frank Pagels den Zapfhahn aus dem Einfüllstutzen seines bordeauxroten 81er Opel Ascona. Knapp 36 Liter hat der stämmige Mann schon getankt, die automatische Sperre am Zapfhahn hat schon mit einem kräftigen Ruck blockiert, doch der arbeitslose Betonbauer hat noch nicht genug. Er hält den Zapfhahn frei über den Stutzen und lässt ganz langsam nachlaufen. Wie ein Sektglas füllt er den Tank: Immer wieder schäumt das Super-plus bis zum Stutzen hoch, doch Pagels steht da ganz ruhig, wartet, bis der Schaum sich legt, füllt nach, wartet, füllt. Drei Minuten später zeigt die Zapfsäule 39,97 Liter, und Pagels ist zufrieden, klopft dreimal leicht den Zapfhahn ab und hängt ihn zurück. 23,54 Mark zeigt die Zapfsäule – so billig kriegt er den Sprit nie wieder.

An der Zapfsäule ist der Betonbauer ein Künstler. Keiner kriegt den Tank so voll wie er. Und heute lohnt es sich, denn für eine Stunde bezahlte gestern die FDP den Steueranteil des Sprits an dieser Sprint-Tankstelle in Berlin-Wilmersdorf. FDP-Finanzsprecher Hermann Otto Solms, ganz volkstümlich in gelbe Windjacke und Jeans gekleidet, lässt es sich nicht nehmen, persönlich die Preistafel mit der Fernbedienung umzustellen: Der Preis von teurem Super-plus Benzin etwa fällt von 1 Mark 96,9 auf mickrige 58,9 Pfennig. Diese Runde geht an ihn.

Die FDP will damit gegen die Ökosteuer protestieren. Dass auch unter der CDU/FDP-Koalition der Sprit nicht so billig war wie heute, stört hier niemanden. Und weil der Sprit so günstig ist, hat Pagels sich diesmal Super-plus gegönnt. So macht Tanken Spaß.

Dafür lohnt auch das Warten. Eine Stunde hat Pagels hier gestanden, seit halb zehn. Der erste Wagen, ein heller Ford Orion, stand schon seit drei Uhr früh hier. Um die Tankstelle herum staut sich der Verkehr bis auf die benachbarte Autobahn. Ein Dutzend Polizisten regelt den Verkehr, die Beamten schicken die Autofahrer weg, die auf das überfüllte Tankstellengelände drängen.

Ein 25jähriger Audi-Fahrer ist dennoch durchgeschlüpft. „Ich habe denen einfach gesagt, ich fahr schon auf Reserve.“ Er lächelt verschmitzt und konzentriert sich dann voll aufs Tanken – 58,54 Liter sind getankt für nur 34,48 Mark statt normal 115 Mark. In der Ruhe liegt die Ersparnis.

Aber nicht bei allen: Einem schlaksigen Mercedes-Fahrer läuft ein guter halber Liter Super-bleifrei unters Auto – zu hektisch. Vor der Einfahrt dreht ein Versicherungsvertreter durch. Er fährt mit seinem neuen grünen Opel Vectra 16 Ventiler einer Polizistin beinahe über den Fuß, die ihn abweisen will. Ihm droht eine Anzeige, doch immer noch versucht er einem Polizisten zu erklären, dass es sein gutes Recht sei, an die Zapfsäule zu rollen.

So schwer es ist, zur Tankstelle zu kommen, so leicht wird man hier heute einfache Wahrheiten los: Unter Rot-Grün sei der Benzinpreis um 30 Prozent gestiegen, erklärt FDPler Solms in die Fernsehkameras – so als wäre die Bundesregierung auch dafür verantwortlich, dass sich der Rohölpreis seit dem Regierungswechsel mehr als verdoppelt hat.

Die Kunden nehmen von Solms keine Notiz. Überwiegend Rentner und Arbeitslose sind gekommen. Alle finden die Aktion klasse, kaum einer die FDP. Macht aber nichts. Solms macht es Greenpeace und der CDU nach – der Medienandrang ist gewaltig.

294 Kunden tankten gestern in der Billigstunde 5.846 Liter. Die FDP wird das rund 7.500 Mark kosten. „Das Geld haben wir eigentlich nicht“, sagt Solms. Vielleicht hätte er das FDP-Mobil gleich mit tanken sollen.

Matthias Urbach, Berlin