Nachgehakt
: Bremen ganz unten

■ Studie über Stadtteil-Demokratie zeigt Duisburg und Hannover vor Bremen

Bremen leistet sich in Sachen kommunaler Demokratie keineswegs einen Luxus, der unter Spargesichtspunkten einzuschränken wäre. Im Gegenteil: Bremen ist eher demokratisches Schlusicht im Vergleich zu Großstädten mit einer halben Million Einwohner. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die an der „Kooperationsstelle Arbeiterkammer/Universität“ gestern vorgestellt wurde.

Die Autoren Rolf Prigge und Martin Prange, deren Forschungsprojekt sich mit dem „Strukturwandel des öffentlichen Sektors“ befasst, haben sich mit ihrem Vergleich der kommunalen Strukturen etwas beeilt, um ihr Material rechtzeitig für die aktuelle Diskussion vorzulegen. Sie haben 17 Großstädte verglichen, dabei auch Millionen-Städte wie Berlin oder Hamburg, die aufgrund ihrer Größe starke Bezirksämter haben. Eher vergleichbar mit Bremen sind Städte wie Duisburg, Dortmund oder Hannover, die wie die Stadt Bremen zwischen 500.000 und 600.000 Einwohner zählen. Speziell an Hannover hatten sich Bremens Kommunalpolitiker vor zehn Jahren orientiert, als es um die Direktwahl der Beiräte ging.

In Hannover gibt es 13 Stadtbezirksräte, die deutlich mehr Rechte haben als die Beiräte in Bremen. In vielen Angelegenheiten des Stadtteils, in denen die Bremer Beiräte nur „beteiligt“ werden müssen, ihr „Nein“ aber keinerlei Auswirkungen hat, haben die Hannoveraner Stadtbezirksräte richtige Entscheidungskompetenz. In der Liste der 17 hätten die Bürger eines Stadtteils nur in Nürnberg weniger Rechte als in Bremen, sagt Ko-Autor Prange – dort gibt es überhaupt keine Stadtteil-Räte. Immerhin gibt es aber dort Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auf Stadtteil-Ebene über Angelegenheiten des Stadtteils.

Auch in nordrhein-westfälischen Städten sind die Vertretungen der Stadtteil-Ebene deutlich stärker ausgebaut als in Bremen. In Duisburg (526.000 Einwohner) gibt es sieben Ortsämter, ddenen wesentliche kommunale Verwaltungsaufgaben zugeordnete sind: 1.600 Beschäftigte arbeiten in den Ortsämtern, Duisburg hat zudem wie die meisten Großstädte in NRW direkt gewählte Stadtbezirks-Vertretungen mit Rechten, von denen die Bremer Beiräte nur träumen. In Dresden (450.000 Einwohner) werden die Stadtbezirksbeiräte zwar nicht direkt gewählt, sondern proportional besetzt, dennoch ist die Verwaltung deutlich stärker dezentral organisiert als in Bremen: In den zehn Ortsämtern Dresdens sind insgesamt 700 Stellen der Stadtverwaltung angesiedelt. In Dresden gibt es nach bayerischem Vorbild auch Bürgerentscheide und Bürgerbegehren in den Ortsteilen über Stadtteil-Angelegenheiten.

Insgesamt sind die Gemeindeverfassungen der Großstädte in Deutschland sehr heterogen, was die Ausgestaltung der Rechte auf der unteren Ebene angeht, haben die Autoren Prigge/Prange festgestellt. Auffallend ist, wie extrem in Bremen die Größe der Beiratsbezirke auseinanderklafft: Zum Ortsamt Strom zähen 410, zum Ortsamt West 87.000 Einwohner. „Bremen muss sich entscheiden, ob es sich als Großstadt weiterentwickelt oder Dorfstrukturen konservieren will“, kommentieren die Autoren das. „Großstadt“ heißt nicht Entmachtung der Beiräte und Stellenstreichung bei Ortsämtern, sondern Ausbau der dezentralen Verwaltungsebene und Stärkung der Rechte auf Stadtteil-Ebene. K.W.

bremen.de

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