Kultursenatorin hadert mit Radunskis Erbe

Christa Thoben muss nachholen, was ihr Vorgänger Peter Radunski versäumte – und präsentiert dabei doch nur alte Ideen in neuer Verpackung: Künstlerische Innovationen sollen sparen helfen

Am Anfang steht ein Kassensturz. Einen Monat lang hat die neue Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) Gespräche geführt, Akten gewälzt, Zahlen addiert. Am kommenden Dienstag endlich will der Senat den Haushalt für das laufende Jahr festzurren. Selbst wenn Thoben hart verhandelt, eines steht schon jetzt fest: Für die Kultur wird es ein böses Erwachen geben. Ein Loch von 50 bis 90 Millionen Mark hat Vorgänger Radunski im Etat hinterlassen, obendrein muss das Land zusätzliche Summen für die Sanierung der Museumsinsel lockermachen.

Kein Wunder also, dass Thoben mit Radunskis Erbe hadert. Sie will nun Ernst machen mit den Reformen, die ihr Vorgänger verschleppte. Doch dabei kommen auch nur alte Vorschläge in neuer Verpackung ans Tageslicht.

Wo Radunskis Plan, das Konzerthaus am Gendarmenmarkt mit der Komischen Oper zu verschmelzen, noch als schieres Sparprogramm daherkam, redet Thoben jetzt von künstlerischer Innovation. Wirklich Neues, glaubt die Senatorin, könne nur jenseits der hergebrachten Spartengrenzen entstehen. Daher will sie die „scharfe Trennung zwischen den Genres“ niederreißen. Schauspiel- und Tanz-Ensembles, Orchester und Opernhäuser sollen künftig kooperieren – und nebenbei die neuen Hallen in der brandenburgischen Kulturwüste bespielen.

Kleinere Verwaltungen, weniger Stellen, mehr Einnahmen: Auf diesen Wegen sollen sich solche „Produktkombinationen“ finanziell auszahlen. „Dass darüber auf Dauer auch ein Verkleinern der Körper stattfindet, das ist ja wahr“, gesteht Thoben. Doch die Zeit dafür sei „reifer, als sie es in den letzten fünf Jahren war – weil das Geld noch knapper geworden ist“.

Wer jedoch mit wem ins Bett steigen soll, will Thoben noch nicht sagen. Die Antwort auf diese Frage hänge auch von personellen Konstellationen ab. So würde sie Staatsopernchef Daniel Barenboim, dessen Vertrag bald ausläuft, gerne in Berlin halten – allerdings nicht mit einer höheren Gage, sondern mit zusätzlicher Macht.

Bevor die Haushälter allerdings Luftsprünge vollführen, sollten sie erst das Kleingedruckte lesen. Wer langfristig rationalisieren wolle, warnt Thoben, müsse erst einmal investieren. So sei der Weg in die neue Flexibilität ohne einen gut dotierten Abfindungsfonds zum Scheitern verurteilt. Auch die Umwandlung der Theater und Orchester in Stiftungen oder Gesellschaften privaten Rechts, ein Vorschlag von Staatsminister Michael Naumann (SPD), erfordere eine Anschubfinanzierung.

Apropos Naumann: Über die Ratschläge aus dem Kanzleramt zeigt sich die Senatorin wenig amüsiert. Über alles will sie mit sich reden lassen – „aber nicht in der Form, wie Herr Naumann mir das über die Presse mitgeteilt hat“. Vor allem eines nähme Thoben gerne vom Bund: Geld. „Wenn man sich ansieht, was die frühere Bundesregierung in Bonn aufgewendet hat“, sagt Thoben, „dann muss dieser Maßstab in Berlin um ein Vielfaches gelten.“

Vor allem für das Jüdische Museum und die Berliner Festspiele soll der Bund zahlen – für die „Selbstdarstellung Deutschlands in der Welt“. Den Martin-Gropius-Bau würde die Senatorin gerne der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben.

Den Berliner Operettenfreunden hingegen mag Thoben keine konkreten Hoffnungen auf eine Wiedereröffnung des Metropol-Theaters machen. Die fixe Idee ihres Vorgängers scheint damit begraben. Zweifel hegt Thoben auch an Radunskis Idee, ausgerechnet das größte der drei Berliner Opernhäuser mit der Berufung des neuen Intendanten Udo Zimmermann der musikalischen Moderne zu widmen. Doch der Kassensturz hat seine Grenzen: „Ich kann nicht alle Entscheidungen rückgängig machen.“ Ralph Bollmann