Alter Seehund mit tiefen Narben

Dreimal hat Segel-Veteran Dennis Conner den America’s Cup gewonnen, überraschendliegt er auch bei der 30. Auflage vor Neuseeland bestens im Rennen ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Einmal hat „der alte Seehund“ (die Agentur AFP) bereits das Gesetz des „They never come back“ im America’s Cup der Segler durchbrochen, mit 57 Jahren schickt sich Skipper Dennis Conner nun an, dieses Kunststück ein zweites Mal zu vollbringen. In der ersten Runde der 30. Auflage des renommiertesten Wettbewerbs im Segelsport war der US-Amerikaner vor der Küste von Auckland/Neuseeland eher unauffällig mitgefahren, im Halbfinale der sechs besten Yachten dreht er plötzlich mächtig auf. Mit drei Siegen in Folge setzte sich Conner an die Spitze, verblüffte die Konkurrenz und ließ sich erst durch das französische Boot „Le Defí“ stoppen, das seine „Stars and Stripes“ rammte, als es regelwidrig versuchte, ihr den Weg ab zu schneiden.

Kein geringes Malheur für Dennis Conner, der im Gegensatz zur finanzkräftigen Konkurrenz aus Japan („Nippon Challenge“), Italien („Prada“) und den USA („AmericaOne“) nur über ein Exemplar der hoch gezüchteten Superyachten verfügt und dieses für das heutige Duell gegen die „AmericaTrue“ von Skipperin Dawn Riley wieder klar bekommen muss. Die reichen Syndikate haben zwei Boote in Auckland und nutzen dies kräftig, um das eine Modell durch feine Modifikationen schneller machen zu lassen, während sie mit dem anderen segeln.

Umso erstaunlicher der Einbruch der Crew von Kapitän Francesco de Angelis, der dem italienischen Modehaus Prada, das 55 Millionen Dollar in den America’s Cup investiert hat, zu schwimmendem Ruhm verhelfen soll. Die erste Runde hatte „Prada“ deutlich dominiert, im Halbfinale aber steht nach drei Regatten erst ein Sieg und der 4. Platz zu Buche. In den restlichen sieben Rennen, die, wenn es das Wetter zulässt, ab heute gesegelt werden, müssen die Italiener schon kräftig punkten, um einen der beiden Plätze zu ergattern, der zur Teilnahme am endgültigen Herausfordererduell berechtigt. Dessen Sieger darf dann ab dem 19. Februar gegen den Cup-Verteidiger, das Team New Zealand von Peter Blake, um die monströse Trophäe segeln, die von 1851 bis 1983 fest in amerikanischer Hand war.

Dann kam Dennis Conner, verlor als Cup-Verteidiger überraschend gegen die „Australia II“ und musste sich als größter Versager in der Geschichte der US-amerikanischen Seefahrt schmähen lassen, bis er die Trophäe 1987 zurück gewann und 1988 verteidigte. Auch auf diesem Sieg lag allerdings ein Makel, denn Conner war mit einem Katamaran aufgekreuzt, was allgemein als unlauterer Wettbewerb galt. 1992 holte vor San Diego der Milliardär Bill Koch den Pokal, und 1995 war es erneut Conner vorbehalten, der nationalen Ehre einen neuen Schmutzfleck hinzuzufügen. Peter Blakes „Black Magic“ segelte die „Stars and Stripes“ vor San Diego in Grund und Boden und löste in Neuseeland eine Euphorie ungekannten Ausmaßes aus. Tagelang waren die Füße des ganzen Landes in rote Socken gehüllt, Markenzeichen des Triumphators Peter Blake. Segel-Enthusiasten in den USA schlugen derweil vor, Conners Kopf dort anzuschrauben, wo früher immer der America’s Cup gestanden hatte.

Der Veteran ließ sich von solchen Anwürfen nicht verdrießen, rüstete sich selbstverständlich für Auckland und präsentiert sich dort in alter Garstigkeit. Seine Aversionen gegen Dawn Riley, deren Frauencrew er vor fünf Jahren als „Lesbenbande“ bezeichnet hatte, sind keineswegs verflogen, Hauptfeind ist zur Zeit jedoch Peter Gilmour, der die japanische „Nippon“ befehligt. Der Australier hatte es gewagt, Trainingsfahrten gegen das Team New Zealand zu unternehmen, was alle anderen Boote abgelehnt hatten. Der wolle doch bloß einen Job bei den Neuseeländern, wenn 2003 die nächste Auflage des Cups starten würde, höhnte Conner, eine bewährte Methode, Gegner in Rage und ihre Nerven zum Flattern zu bringen.

Derartige mentale Spielchen können durchaus eine Rolle spielen, wenn es um die entscheidenden Sekunden geht. Trotz der riesigen Investitionen in die hoch empfindlichen Yachten sind die Materialvorteile beim Kampf der Besten gering. Die Zeit der Katamarane ist vorbei, klare Regeln sorgen dafür, dass sich die Konstruktionen gleichen. „Die Boote haben alle ungefähr dieselbe Geschwindigkeit“, sagt John Cutler von der „AmericaTrue“, „also müssen die beiden Teams, die am Ende an der Spitze stehen, wirklich gut gesegelt haben.“

Conners Steuermann Ken Read ist zuversichtlich, dass die „Stars and Stripes“ im Finale dabei ist: „Niemand hat uns bisher gesagt, dass wir den America’s Cup nicht gewinnen können. Also tun wir jeden Tag so, als können wir ihn gewinnen.“ Peter Blake legt derweil schon mal die roten Socken bereit – auch wenn sie der 51-Jährige „aus Altersgründen“ diesmal nicht als Kapitän, sondern nur als Teamchef tragen wird.