E-Kommerz boomt – aber nicht genug

■ Kurssturz bei Internethändlern wie zum Beispiel Amazon.com. Die Anleger wollen noch schnelleres Wachstum und endlich Profite am Horizont sehen. Deutsche Internet-Buchhändler mit Weihnachtsgeschäft zufrieden

Berlin (taz/dpa) – Eine der Lieblingsaktien der Börsenhändler wurde bei den Kurseinbrüchen der letzten Tage besonders getroffen: Die Aktien von Amazon.com, des weltgrößten Internethändlers, fielen um mehr als elf Dollar auf 70 Dollar. Der Höchststand der Aktie von 113 Dollar Anfang Dezember lag eh schon in weiter Ferne. Dabei war Amazon.com einer der Pioniere des E-Commerce – des Handels per Internet vor allem mit Büchern, Musik-CDs, Software, Videos oder Spielzeug – und mit einem Börsenwert von bis zu 39 Milliarden Dollar einer der Stars des Aktienbooms der USA. Von den ehemals 39 Milliarden Aktien-Dollar sind nach dem jüngsten Börsensturz noch 24 Milliarden übrig, was Anleger nicht gerade glücklich zurücklässt.

Nun zuckt der Aktienkurs dieser „.com-Firmen“ traditionell stärker hin und her als der von althergebrachten Konzernen. Trotzdem ist das Abschmieren von Amazon und einigen anderen „.coms“ ein Zeichen, dass die Börsenhändler angesichts der nun präsentierten Zahlen für das Weihnachtsgeschäft langsam die Geduld verlieren. Amazon.com konnte zwar für das vierte Quartal 1999 stolz ein Umsatzwachstum von 157 Prozent auf 650 Millionen Dollar melden und bleibt damit einer der ganz Großen im elektronischen Handel. Doch die Verluste seien nicht zurückgegangen, so die Firma, sondern noch gestiegen.

Das angesichts der rasanten Expansion des E-Commerce-Pioniers nicht auch noch Milliarden-Gewinne sprudeln können, war jedem vorher klar. Angesichts des vielen investierten Geldes sollte aber irgendwann zumindest eine Wende in Richtung schwarzer Zahlen kommen. Schließlich gibt es Dutzende von schnöden Handelsfirmen, deren Aktien weit weniger wert sind und die angesichts des US-Booms seit Jahren fette Gewinne einfahren.

Und verglichen mit den anderen Internethändlern ist Amazons Umsatzwachstum von 160 Prozent gar nicht so spektakulär: Laut einer Untersuchung von Visa stieg der Umsatz der Branche um 179 Prozent für die letzen zwei Monate des Jahrs 1999.

Die vier führenden Online-Buchhändler in Deutschland sind mit dem Weihnachtsgeschäft 1999 zufrieden. Der deutsche Marktführer Amazon.de, eine Tochter von Amazon.com, berichtet, das Weihnachtsgeschäft habe „die Erwartungen übertroffen“. Angaben zu Umsatz oder Zahl der bestellten Bücher und Musik-CDs machte das Unternehmen jedoch nicht. Die Begründung: So wenige Geschäftszahlen wie nur möglich zu veröffentlichen, um der Konkurrenz keine Hinweise zu geben.

Gleich zwei Unternehmen beanspruchen in Deutschland den zweiten Platz in der Branche: die Bertelsmann-Tochter Bol.de und die börsennotierte Bücher.de. Bol.de vermeldet für den Monat Dezember ein Ordervolumen von durchschnittlich 4.000 Büchern und CDs pro Tag. Seit Oktober hätten sich die Absatzzahlen verdoppelt. Ein Vergleich mit dem Vorjahr ist hier nicht möglich, da Bol.de erst 1999 gegründet wurde.

Bücher.de-Sprecherin Julia Hofmann sagte, das Weihnachtsgeschäft sei „sehr gut“ gelaufen, der Umsatz sei etwa fünfmal so hoch gewesen wie im Dezember 1998. Im Dezember habe das Unternehmen durchschnittlich etwa 2.500 Bestellungen je Tag bekommen, wobei durchschnittlich zwei Bücher geordert wurden. Die Nummer vier bei den Online-buchhändlern ist Buch.de.

Nach einer Studie der Internet-Investment-Firma CMGI wird 1999 der Anteil des Online-Shopping im Internet am gesamten Handel in Europa vier Prozent betragen haben. Deutschland sei hier mit durchschnittlichen Bestellungen von 77 Euro führend. Das mag bescheiden klingen, ist aber für den Anfang nicht schlecht. Und hierzulande besteht auch nicht der immense Druck auf die Online-Firmen, schnell Profite zu liefern – schließlich haben anders als in den USA die Anleger nicht mehrere Dutzend Milliarden Dollar in die hochbewerteten E-Commerce-Aktien investiert. Reiner Metzger