Perfektes Vehikel gesucht

Körpersprache von Frauen und Männern: Hier eingeknickte Hüften, schiefgelegte Köpfe – dort breit gestellte Beine, aufgestützte Hände. Gibt es sie überhaupt, die perfekte Selbstpräsentation? Mit Lisa Sterr und Karin Gante, Coaches für Kommunikation und Körperarbeit, sprach Verena Kern

taz: Sie sind Expertinnen in Sachen Körpersprache. Sie bieten Seminare und Einzelberatungen zum Thema Selbstpräsentation an. Lernt man bei Ihnen, selbstbewusst, selbstsicher und erfolgreich zu werden?

Lisa Sterr: Das hängt ganz von Ihnen selbst ab. Wir machen Angebote, geben Impulse, geben Feedback. Wenn Sie so wollen, Hilfe zur Selbsthilfe. Es liegt in Ihrer Verantwortung, was Sie daraus machen.

Was für Angebote sind das?

Sterr: Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, Leuten einen bewegungs- und körpersprachlichen Code beizubringen. Wir werden immer wieder gefragt: Was muss ich tun, um sicher zu wirken? Wie ist die Gestik richtig? Was mache ich mit den Armen, den Händen? Gibt es irgendwelche Tipps und Tricks? Kann und soll ich etwas vor dem Spiegel einstudieren? Aber es geht eben nicht ums Einstudieren, sondern darum, die Körpersprache bewusst zu machen, zu befreien und herauszufinden: Was ist mein Selbstausdruck, was ist mein persönliches Potenzial?

Einiges an Tipps und Tricks wird es sicherlich geben. So wie es Verhaltensweisen gibt, die eher von Vorteil oder eher von Nachteil sind, etwa bei Frauen die Tendenz, sich zurückhaltend und wenig raumgreifend zu verhalten, was oftmals nachteilig wirkt.

Karin Gante: Ich war neulich bei einer Vortragsveranstaltung, bei der auch eine Frau einen Vortrag gehalten hat. Dabei hatte sie die Beine nicht nebeneinander, sondern hintereinander gestellt und den Oberkörper immer halb vom Publikum abgewandt, eine Schulter nach hinten, den Kopf zur Seite. Sie hat sich damit selbst verkleinert. Die Botschaft war: Ich bin schön anzusehen, ich bin nett, ich tu keinem was, tu du mir auch nichts. Die Männer dagegen standen bei ihrem Vortrag alle frontal zum Publikum, beide Hände aufs Rednerpult gestützt oder gestikulierend, und vermittelten damit die Botschaft: Das, was ich sage, ist wichtig. Ich stehe dazu.

Was würden Sie dieser Frau raten?

Sterr: Sich zu trauen, persönlicher und im Selbstausdruck offener zu sein. Grundsätzlich gibt es beim Thema Selbstpräsentation drei wichtige Punkte: Erstens die sachlich-inhaltliche Vorbereitung. Zweitens das Outfit, die Frage: Wie gestalte ich mein Äußeres?

Gante: ... oftmals ein wunder Punkt bei Frauen ...

Sterr: ... und drittens die Frage: Wie bereite ich mich emotional und auch körperlich auf die bevorstehende Situation vor. Und dieser dritte Teil wird sehr unterschätzt.

Gante: Genau das setzt unsere Beratung an. Wir würden mit der Frau daran arbeiten, sich ihre Körpersprache bewusst zu machen. Und nach Ausdrucksmöglichkeiten suchen, die angemessener, stimmiger sind.

Dass die Körpersprache für die Selbstpräsentation ein sehr wichtiger Faktor ist, ist mittlerweile Allgemeingut. Vor zehn, fünfzehn Jahren waren Rhetorikseminare der Renner, aus der Erkenntnis heraus, dass nicht nur zählt, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt. Heute finden Sie kaum noch reine Rhetorikseminare. Immer spielt auch der Aspekt der Körpersprache eine Rolle, also die Frage: Wie wirke ich insgesamt?

Sterr: Das zeigt, wie groß der Bedarf ist. Tatsache ist, dass die Körpersprache bei uns relativ reduziert ist, und zwar bei Männern und Frauen gleichermaßen.

Ist das etwas Negatives? Zumindest in Deutschland wird es eher als unangemessen empfunden, wenn jemand eine besonders ausgeprägte Gestik oder Mimik an den Tag legt.

Gante: Ja, das ist eigentlich schade. In Italien ist es schon wieder ganz anders. Bei uns verhält man sich so, dass man möglichst nicht auffällt.

Sterr: Wir sind es eher gewohnt, uns sachlicher, strenger zu verhalten.

Gante: Alles ist sehr verkopft.

Sterr: Im Seminar wird sozusagen die zweite Hälfte aktiviert.

Gante: Vier Fünftel eigentlich.

Was habe ich mir darunter vorzustellen?

Gante: Wir spüren unseren Körper meistens erst dann, wenn er uns wehtut oder vielleicht noch beim Sex. Aber nicht einfach so, wenn er ganz normal funktioniert. Das bleibt alles unbewusst. Deshalb ist Selbstwahrnehmung als Thema ganz wichtig: das eigene Körperbewusstsein zu aktivieren, den Körper wach zu machen.

Sterr: Dazu kommt die Fremdwahrnehmung ...

Gante: ... dass eine Person auch von außen gespiegelt wird. Etwa indem ich jetzt Ihre Haltung imitiere. Dann können Sie sehen: Wie sitze ich da und wie wirkt das?

Sterr: Oder man stellt sich im Kreis hin und sagt, wie sieht das jetzt aus, wenn wir uns alle ganz eng und schmal und zurückgenommen hinstellen. Wenn Sie mit einer Gruppe arbeiten – etwa von zwölf Frauen –, dann kriegen Sie da meistens das große Lachen. Die meisten sehen so mädchenhaft, so reduziert aus. Sehr interessant ist auch die Videoarbeit, vor allem für Frauen.

Warum gerade für Frauen?

Sterr: Wenn Sie eine Videoaufnahme machen, sagen viele Frauen anschließend, ich glaube, ich war gar nicht gut. Und wenn die Frauen die Aufnahmen dann anschauen, sehen sie selbst, dass es nicht stimmt. Dass sie viel sicherer auftreten, als sie annehmen.

Gante: Frauen neigen generell dazu, sich schlechter zu bewerten als sie sind.

Sterr: Es ist ein Art Verletzungskarussell.

Was meinen Sie damit?

Sterr: Viele Frauen sind schon vielfach in ihrem Selbstbewusstsein verletzt. Und durch die Selbstabwertung verletzen sie sich auch noch zusätzlich selber. Als ich anfing, Seminare zu machen, war ich sehr schockiert, als ich das erlebt habe. Inzwischen weiß ich, dass das ein Muster ist, und kann es im Arbeitsprozess thematisieren.

Sie machen auch Seminare mit Männern. Wie sieht es da aus?

Sterr: Ja, das ist interessant: Auch Männer werten sich ab. Bloß sprechen sie nicht darüber. Ich hatte kürzlich eine fast reine Männergruppe. Wir haben auch mit Video gearbeitet, und beim Anschauen der Aufnahmen saßen die Männer mit roten Köpfen da, schwitzend. Sie waren aufgeregt, sich zu sehen. Sie hatten Angst. Aber sie hätten nie darüber gesprochen. Für Frauen dagegen ist es legitim und normal, über Ängste zu sprechen. Darüber verbünden sich Frauen sogar. Männer würden das nicht machen.

Gante: Männer gehen dann eher ins Coole oder ins Arrogante. Sie nehmen die Bewegung aus dem Gesicht heraus, reduzieren die Mimik sehr stark und drücken damit die Emotion weg. Oftmals ist der gesamte Kieferbereich verspannt – so eine Haltung hat auch viel mit Durchbeißen zu tun. Sie müssen mal darauf achten, wie viele Männer beim Sprechen nicht ihre Zähne auseinander kriegen, wie wenig sie die Oberlippe bewegen.

Was Sie beschreiben, ist ja ein ganzes Paket von Themen. Ihre Seminare gehen über ein Wochenende, Einzelberatungen sind in der Regel neunzig Minuten lang. Kann man in so kurzer Zeit tatsächlich eine Veränderung bewirken?

Sterr: Kommt darauf an, wo jemand steht.

Gante: Und mit welchem Anliegen er oder sie kommt. Wenn zum Beispiel jemand demnächst eine Rede zu halten hat und das, was er oder sie vorbereitet hat, noch einmal inhaltlich besprechen möchte, okay, dann werden neunzig Minuten reichen. Wenn diese Person aber sagt, ich will an meiner Stimme, meiner Ausdruckskraft arbeiten und überhaupt etwas für ein selbstsicheres Auftreten tun, dann muss man das als langfristigeres Unternehmen sehen und sollte mehrere Coachings in gewissen Abständen machen.

Sterr: Natürlich kann man auch nicht an einem Wochenende – so einfach Hokuspokus – Körpermuster komplett verändern, die man vielleicht dreißig Jahre aufgebaut hat. Das passiert nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess. Und es ist Arbeit: sich mit sich selbst beschäftigen, das eigene Bewusstsein erweitern, sich die eigenen Stärken und Potenziale, aber auch Grenzen und Verletzungen bewusst machen. Denn alles, was mir nicht bewusst ist, kann mich im Prinzip auch schädigen. Weil ich mich selber verletze, weil ich mich selber blockiere und weil ich auch andere blockiere.

Das klingt fast so, als würden Sie eine Art Psychotherapie machen.

Sterr: Ein Psychotherapeut arbeitet mit einer Person an deren Lebensgeschichte. Darum geht es bei uns nicht. Unsere Schnittstelle ist Leben und Beruf. Es gibt immer ein Thema und ein berufliches Anliegen, oft auch ein konkretes Ziel. Wir bieten sozusagen ein Vehikel, mit dem sich jemand weiter bewegen kann. Natürlich ist es dabei von Vorteil, dass wir beide psychologisches Hintergrundwissen haben.

Gante: Auf dem Weg zum Ziel gibt es Hindernisse. Das können neben sachlichen Problemen auch emotionale oder körperliche Blockaden sein. Dann ist es notwendig, dass wir das erkennen und gegebenenfalls thematisieren. Um Lösungen zu finden, arbeiten wird immer mit dem ganzen Menschen, sozusagen mit Körper, Seele und Geist.

Verena Kern, 35, ist Inlandsredakteurin der taz