Auf kürzestem Weg auf den Mittagstisch

Gesund ernähren, nur wie? Die Grenze zwischen Lebensmitteln und Medikamenten verschwimmt zunehmend ■ Von Lars Klaaßen

Nach opulenten Weihnachtsschlemmereien und exzessiven „Millenniumpartys“ steht bei so manchem die Generalsanierung des arg strapazierten Leibes ganz oben auf der Liste des schlechten Gewissens. Ohne eine gesunde Ernährung machen solche Vorhaben allerdings wenig Sinn.

Im Supermarktregal erwarten den reuigen Konsumenten probiotische Jogurts, Jodsalze und Butter mit verändertem Fettsäuregehalt. Die Werbung für Nahrungsmittel, die „herzgesund“ sind oder die „Darmflora anregen“, lassen einen in der Apotheke statt in der Lebensmittelabteilung wähnen. So genannte Gesundmacher werden von der Nahrungsmittelindustrie zunehmend synthetisiert, imitiert und aus Pflanzen extrahiert.

Immer mehr Lebensmittelhersteller reichern ihre Produkte mit Vitaminen und Mineralstoffen an. 1997 wurden zwanzig Prozent aller deutschen Erfrischungsgetränke mit Vitaminmischungen versetzt, Tendenz steigend. Doch das ist nur der Anfang.

Pulver und Pillen, die die Abwehrkräfte zu steigern versprechen, so genannte Nahrungsergänzungsmittel, sind groß im Kommen. Hier zu Lande werden rund 1,5 Milliarden Mark jährlich für solche Wundermittelchen ausgegeben. Die Grenze zwischen Lebensmitteln und Medikamenten verschwimmt zunehmend.

Kein Wunder, wenn sich zugleich kritische Stimmen mehren, die den Nutzen dieser Produkte in Frage stellen. Hedi Grunewald von der Verbraucherzentrale Niedersachsen e.V. (VZN) warnt vor der „trügerischen Sicherheit“, die viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln anpreisen. Laut Grunewald bringt pflanzliche Nahrung mehr als industriell gefertigte Substitute. „Sie schmeckt nicht nur besser, sondern enthält auch so genannte sekundäre Pflanzenstoffe.“ Diese Substanzen gelten zwar nicht als lebensnotwendig, fördern jedoch die Gesundheit. „Mit unserer Nahrung können wir etwa 10.000 solcher sekundären Pflanzenstoffe aufnehmen, deren Wirkung noch nicht einmal zu einem Prozent erforscht ist“, erläutert Grunewald. Sie kommen hauptsächlich in Obst und Gemüse vor, aber auch in Nüssen, Kernen und Samen, Hülsenfrüchten wie Vollkornprodukten. Ihre Wirkung ist vielfältig: Viele dieser Substanzen wirken gegen Krebs und schützen vor freien Radikalen, den aggressiven Sauerstoffverbindungen in den Zellen. Einige Substanzen haben eine positive Wirkung auf die Blutgerinnung oder den Cholesterinspiegel. Die gesundheitsfördernden Effekte ergeben sich durch das Zusammenspiel verschiedener Nahrungsbestandteile.

Die Ernährungsfachleute der VZN raten deshalb zum verstärkten Genuss von frischem Gemüse und Obst. Dabei gilt es zu beachten: Regionale Produkte, die auf dem kürzesten Weg auf den Tisch gelangen, erleiden die geringsten Verluste an Vitaminen und empfindlichen Pflanzenstoffen. Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr nur wenige Tage im Kühlschrank verbleiben und schonend zubereitet werden.

Wichtig ist in jedem Fall die Vermeidung einseitiger Ernährung. Das gilt auch für Rohkostgenüsse. Der völlige Verzicht auf Kochtopf und Bratpfanne führt nicht automatisch zum umfassenden Wohlbefinden. Neben Nährstoffen enthalten Pflanzen nämlich auch Abwehrstoffe, die der Verdauung zu schaffen machen können. Erhitzen macht so manche Mahlzeit leichter verdaulich und ist nicht per se schlecht. Was einem gut tut, signalisiert oft schon der eigene Appetit. Auf diese Stimme darf ruhig gehört werden.

Darüber hinaus ist die Qualität der Lebensmittel entscheidend. Statt frisierter Turbonahrung setzt Ulrich Höfeler, Obmann der Neuform-Reformhäuser Berlin-Brandenburg, auf Natürlichkeit: „In unserem Sortiment hat biologisch produzierte Ware ganz klar Vorrang.“ Radioaktive Bestrahlung von Lebensmitteln ist tabu, das Gleiche gilt für chemisch-synthetische Aromastoffe und gehärtete Fette. Auch genmanipulierte Ware kommt Höfeler nicht ins Regal. Fastenkuren à la Neuform funktionieren ohne ausgewiesene Diätkost – und auch ohne Hungern: Saft-, Reis- und Getreidegenuss in der richtigen Dosierung zeigen eher ihre Wirkung.

Dennoch finden sich bei Neuform auch Kapseln und Tabletten im Angebot. Sie enthalten natürliche Substanzen auf Kräuterbasis: „Das sind uralte Naturheilmittel wie unter anderem Tee, den Kneipp schon anwandte“, so Höfeler. Und wenn auch das Magnesiumpräparat im Reformhaus seinen Platz gefunden hat, Neuform weist jeden, der es wissen möchte, darauf hin, dass die Magnesiumversorgung mit der entsprechenden Ernährung auch von selbst gewährleistet werden kann.Verbrauchertipps: Stiftung Warentest, testSPEZIAL Ernährung, Mai 1999, 116 Seiten, 12,80 DM.„Gesundheitskost, gesunde Kost? Ein Wegweiser durch Werbung und Wirklichkeit“. Hg.: Verbraucherzentrale, 230 Seiten, 18 DM