„Das würde ich nicht zahlen“

■ taz-Serie „Neu in Berlin“ (14): Der Immobilienmakler Stephan Groß kam von Hamburgnach Berlin. Hier fand er Leerstand und in Neukölln einen Wohnort, der ihm ziemlich gut gefällt

Stephan Groß, 36 Jahre alt, Gewerbeimmobilienmakler und Partner der Firmengruppe Klaus Pickardt Immobilien GmbH, seit einem halben Jahr in Berlin:

In Hamburg war ich Grundstücks- und Hausmakler und habe unter anderem Ketten wie „Call a Pizza“ und „Matratzen Concorde“ an Standorten positioniert. Hamburg war für mich uninteressant geworden, weil der Markt gesättigt ist. Durch persönliche Kontakte ergab sich die Möglichkeit, auf dem Berliner Markt zu arbeiten, vor allem in der Vermietung von Ladengeschäften.

Berlin ist durch die Wiedervereinigung und durch die Fehler, die nach der Wende bei den Gewerbevermietungen gemacht wurden, im Umbruch. Es gibt viel Leerstand. Kurz nach der Wende haben viele Unternehmen Büroräume und Ladengeschäfte zu absurd hohen Preisen gemietet. Die liegen 2-bis 3-mal über dem Marktwert.

Wir bieten zum Beispiel auf dem weniger frequentierten Teil des Kurfürstendamms eine Fläche an, die seit etwa vier Jahren leer steht. Der Eigentümer wollte pro Quadratmeter mindestens 55 Mark haben, und jetzt reden wir mit ihm über eine Miete von 35 Mark. Realistisch ist allerdings nur eine Miete von 21 Mark. Auf der Wilmersdorfer Straße haben wir einen Eigentümer, der möchte gerne 95 Mark pro Quadratmeter haben. Angemessen wäre eine Miete um 65 Mark. Die Preise bemessen sich immer nach der Höhe der Fußgängerfrequenz. Läden, die man auf dem Kurfürstendamm als Kunde gut anfahren kann, gibt es ohnehin kaum. Ab Adenauerplatz stehen viele Läden auf dem Kurfürstendamm leer, neue werden zum Jahreswechsel hinzukommen.

Viele Eigentümer glauben immer noch, dass sie sich eine goldene Nase verdienen können, und rufen Preise auf, die am Markt überhaupt nicht mehr zu erzielen sind. Direkt nach der Wende hat jeder gedacht, Berlin werde ohne Ende boomen. Aber es sind nun mal nach der Wende ganz viele Leute aus Berlin ins Umland gezogen. Zudem ist Mitte als Einkaufsgegend auch noch hinzugekommen. Beide Meilen ergänzen sich aber ganz gut. Die wirklich hochwertigen teuren Geschäfte sind ins Quartier 206 und die Friedrichstraße gezogen. Der Kurfürstendamm spricht eher die jungen flippigen und sportlich interessierten Kunden an.

Aber auch bei den Büroräumen ist der Leerstand hoch, da die alte Bundesregierung einige Fehler in ihrer Steuerpolitik gemacht hat, weil man alles absetzen konnte. Also wurde viel auf Vorrat gebaut, ohne schon Mieter zu haben. Bis jetzt konnten die Vermieter Leerstand gut abschreiben, sodass das große Überangebot großen Konzernen nicht weh getan hat. Aber letztlich drückt das auf den Mietpreis im Bürosektor. Wir haben Büroflächen am Gendarmenmarkt, die für 75 Mark angeboten werden, und die sind nicht vermietbar. Das ist zwar eine Ia-Lage, aber so viel Geld muss erst mal verdient werden. Ich muss ehrlich sagen, für mein eigenes Unternehmen würde ich diese Miete nicht zahlen. Mal eben 25.000 Mark im Monat, das ist zu viel.

Wir Makler bewegen uns in einem Markt, der vollkommen im Umbruch ist. Normalerweise kann man schnelle Umsätze über den Wohnungssektor machen. Aber der Markt hat hier völlig nachgegeben. Er ist so entspannt, weil die Leute, die in dieser Stadt gebaut haben, Erwartungen geschürt haben, die einfach nicht erfüllt werden konnten. Der Bundestag ist erst nach mehreren Verzögerungen nach Berlin gezogen. Aber die Bautätigkeit für die ganzen Büros und Wohnungen von Lobbyisten und Presse und anderen, die mit dem Apparat direkt oder indirekt zusammenhängen, hat schon viel früher eingesetzt. Man hat zudem über den Bedarf gebaut.

Im Neubaubereich hat man teilweise Mieten von 11 bis 12 Mark pro Quadratmeter. In Hamburg liegt das Niveau in diesem Segment um rund 4 bis 5 Mark höher. Im Moment herrscht in Berlin also ein eindeutiger Mietermarkt. Wir gehen aber davon aus, dass sich das in drei bis vier Jahren wieder ändert, weil zudem die Neubautätigkeit nachgelassen hat. Zudem wird die Abwanderung von Berlin nachlassen, und es werden neue Leute nach Berlin kommen. Im Moment stehen in jedem zweiten Haus, das ich sehe, Wohnungen leer. Ein Mieter, der heute noch Maklercourtage für eine Wohnungsvermietung zahlt, muss besoffen sein. Und es ist im Prinzip auch nicht einzusehen, dass man mal fünf Minuten einen Makler gesehen hat, der dann abkassiert.

Mit dieser Message mache ich mir zwar keine Freunde bei meinen Kollegen, aber ein Vermieter, der auf einem völlig entspannten Markt eine Wohnungsvermietung durchgeführt haben möchte, weil er beispielsweise die juristischen Fachtermini nicht kennt, ist in Wahrheit der Auftraggeber und nicht der Wohnungssuchende. Sprich: Der Vermieter könnte auch etwas von den Maklerkosten übernehmen. Der eine oder andere Kollege sollte sich mal überlegen, ob zwei Nettokaltmieten Courtage im Moment angebracht sind.

Auf jeden Fall kann man sich in dieser Stadt wohl fühlen. Und wenn das Leben pulsiert, ist es super. Aber man kann sich auch zurückziehen. Ich gehe zum Beispiel gerne in den Zoo. Da interessieren mich vor allem die Pandabären. Ich schöpfe dort meine Kraft und komme auf neue Ideen. Manchmal laufe ich auch nur durch Einkaufszentren, die ich noch nicht kenne. Ein Makler ist immer nur so gut, wie er das aufnimmt, was die Menschen wollen. Aber man muss auch abschalten können, sonst redet man ja nur noch über Immobilien. Meine Frau arbeitet bei einem Makler in Hamburg, meine Schwiegereltern sind Bauträger.

In Berlin bin ich bewusst nach Neukölln gezogen. Dort treffe ich Leute, mit denen ich geschäftlich zu tun habe, abends nicht. Meine Freunde und Bekannten, denen ich das erzähle, stöhnen: „Um Gottes willen, nach Neukölln. Wieso denn da hin? Da sind ja nur Ausländer und tralala.“ Ich denke mir aber, wir müssen lernen, etwas besser miteinander umzugehen. Es ist très chic, tolerant zu sein aber das hört bei den meisten dann auf, wenn der Nachbar Türke ist. Und das kann es ja wohl nicht sein. Ich bin einfach in die Stadt gegangen und habe geguckt: Wo sind meine Einkaufsmöglichkeiten? Wo ist es nicht zu teuer? Wo kann ich mein Auto parken? Wo fühle ich mich wohl? Und das war ge- nau Hermannstraße Ecke Warthestraße, wo ich ein wunderschönes Dachgeschoss gemietet habe. Die Leute dort sind Urgestein. Gehst du zum Türken rüber und hast dreißig Pfennig zu wenig, kriegst du trotzdem deine Zigaretten. Die Menschen sind einfach nicht so überkandidelt, und das macht Spaß. Ich komme hier gut klar und möchte so schnell nicht wieder weg. Zugehört hat

Annette Rollmann