Dreikönigstreffen der FDP: Noch nie war die Partei so wenig wert wie heute
: Westerwelle spielt den agilen Pausenclown

Das Dreikönigstreffen der Vier-Landtags-Partei FDP ist längst zum vorgezogenen Polit-Aschermittwoch regrediert, wenn auch ohne Pointen. Dröge war es auch bei der diesjährigen Zusammenkunft der Liberalen, die ganz im Zeichen des Countdowns für Gerhardt und Westerwelle stand.

Einst jedoch gingen vom Januartreff im Ländle kühne Missionen aus. Der Konstanzer Quereinsteiger Ralf Dahrendorf konnte sich 1968 sogar vorstellen, einmal Bundeskanzler zu werden. Genscher röhrte sein „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“ in die friedensbewegte Landschaft. Und wo Verzagtheit aufkam, las Lambsdorff den Liberalen die Leviten. Noch 1995 war Ignatz Bubis als letzter freidemokratischer Charismatiker aufgekreuzt, um vor einer drohenden nationalen Rechtsdrift der Parteiliberalen hin zu Kappel, Stahl und Zitelmann zu warnen.

Erinnern wir uns weiter: Im Juni 1996 brach die FDP nach drei erfolgreichen Landtagswahlen zu ihrem Parteitag in Karlsruhe auf, wo Guido Westerwelle mit einer fulminanten Rede einen konsequenten Kurs der radikalen Mitte einklagte. „Die FDP lebt“ hieß es hinterher euphorisch, zumal die Rede des Generalsekretärs einem Befreiungsschlag gleichkam – nach teils abenteuerlichen Flügeldebatten um einen nationalkonservativen Rechtsschwenk à la Stahl, eine linksliberale Rückbesinnung auf das Freiburger Programm à la Leutheusser-Schnarrenberger oder Kinkels unwürdigen Kohl-Kumpaneien.

Viele hielten es damals für möglich, dass eine konsequent neoliberale FDP mit bürgerrechtlichen Farbtupfern den behäbigen Oppositions-Grünen bei dynamischen Jungwählern den Rang ablaufen könnte. Damals zwängte sich Fischer noch fettleibig und rotweinselig in die Bonner Abgeordnetenbank, während Westerwelle als strahlender Jungheld den fitteren Eindruck zu machen schien. Die Berliner Wochenpost schrieb demgemäß: „Neben Westerwelle, Jahrgang 61, sieht Fischer, Jahrgang 48, manchmal so alt aus, wie er ist.“ Doch die Witterung verging wie die Wochenpost. Fischer lief Marathon und Westerwelle Spießruten – von Wahl zu Wahl.

Heute, knapp vier Jahre danach, sieht die Bilanz düster aus. Westerwelles Remedur, die FDP von Kohls ausgelaugter Blockpartei in eine lupenreine antietatistische Programmpartei zu verwandeln, hat den Siechgang der Liberalen nicht aufhalten können. Seit Karlsruhe wurde nicht mehr gefeiert, sondern bestenfalls gezittert. Selbst im bislang sicheren Zweitstimmen-Stammland Hessen bangte man im Februar 99 bis zum Erscheinen des Landeswahlleiters.

Die FDP ist mittlerweile das schwächste Glied in der parlamentarischen Fünferkette der jungen Berliner Republik. Kein Zweifel, sie ist linientreueste deutsche Partei, noch linientreuer als selbst die PDS. Aber soll man die Liberalen dafür beglückwünschen? Im Gegenteil: Linientreue gilt nicht nur als langweilig, sondern auch als kontraproduktiv. Honoriert wird auf Dauer nur, wer unter Handlungszwängen über den eigenen Schatten zu springen versteht: Fischer im Kosovokrieg, Eichel mit seinem Sparkurs, Schily mit seinen späten Einsichten.

Die FDP ist keine mutige Partei. Westerwelle macht so Politik, wie er aussieht. Er agiert nur noch als eloquenter Pausenclown bis zum nächsten Wahldebakel. Inmitten des graumäusigen Beamtenflairs um Figuren wie Gerhardt oder Solms wird man zudem den Eindruck nicht los, dass hier eine dröge Altlast der Bonner Republik sich abzuwickeln scheint.

Wolfgang Gerhardts Dreikönigsparole „Privat gegen Staat“ wird der liberalen Partei jedenfalls keine neuen Lebensgeister einhauchen. Denn Eichels Steuerreform liefert den Liberalen weniger Honig als Sargnägel.

Wie aber wird sich das bürgerliche Lager nach dem Kohl-Desaster formieren? Gibt es ein parteiliberales Leben nach dem freidemokratischen Tod? Wer gesellt sich als Mehrheitsbeschafferin an die Seite der Union? Die Lage war noch nie so offen. Norbert Seitz